Abälard

Abälard

[2] Abälard (Peter), war der hellsehendste und aufgeklärteste Mann des in tiefen Aberglauben versunkenen 12. Jahrh.

Offen vertheidigte er im Widerspruche mit den Ansichten der herrschenden Kirche den Grundsatz, daß nur Das zu glauben sei, was man begriffen habe. Sein Scharfsinn, seine Gelehrsamkeit und seine Gewandtheit im Disputiren, derenhalben er von dem vernünftigern Theile seiner Zeitgenossen hochgeachtet, von Denen beschränktern Geistes aber gefürchtet, verketzert und verfolgt wurde, haben ihm einen bleibenden Ruf in der gelehrten Welt, sein Liebesverhältniß aber mit Heloise ein allgemeines Andenken erworben. Er war der Erstgeborene einer reichbegüterten, vornehmen franz. Familie, geb. 1079, erhielt eine treffliche Erziehung und brachte es durch fleißiges Studium der griech. und röm. Classiker dahin, daß er schon in seinem 16. Jahre nach Paris zu gehen befähigt war, um die Lehrer der dortigen Hochschule zu hören, und, nach damaliger Sitte, durch öffentliches Disputiren seine Kenntnisse zu erproben. In kurzer Zeit konnte er wagen, mit den ausgezeichnetsten Gelehrten in die Schranken zu treten. Er erntete bei jeder Gelegenheit großen Ruhm, machte aber auch den Neid rege, sodaß er sich genöthigt sah, Paris zu verlassen. Nach mancherlei Schicksalen und nachdem er sein Erstgeburtsrecht seinem Bruder abgetreten, kehrte er jedoch dahin zurück und widmete sich mit großem Eifer dem Studium der Theologie, bis er in dem Hause des Kanonikus Fulbert dessen Nichte, Heloise Montmorency, ein geistreiches, liebenswürdiges Mädchen, kennen lernte. A. suchte und fand lyre nähere Bekanntschaft, als er sich bei dem geizigen Fulbert erbot, ihr unentgeltlich Unterricht in den Wissenschaften zu ertheilen, und wurde sogar bald darauf gegen ein ansehnliches Kostgeld auch dessen Hausgenosse. Obgleich schon 38 Jahr alt, ließ er sich von den Reizen Heloisens, die erst 17 Jahre zählte, doch so fesseln, daß er allen Studien entsagte, und nur in Liebesgedichte seine Empfindungen für die Geliebte einzukleiden bemüht war. Heloise war nicht unempfindlich gegen seine Neigung, und so geschah es, daß Beide in gegenseitiger Liebe zueinander das Urtheil der Welt über ihr Verhältniß vergaßen. Fulbert, aufmerksam gemacht auf das Ärgerniß, welches die Liebenden gaben, trennte sie, doch zu spät. A. brachte die Geliebte zu seiner Schwester in die Bretagne, wo sie ihm einen Sohn gebar, der aber bald starb, und vermählte sich hierauf mit ihr, wozu Fulbert seine Einwilligung [2] gab. Allein aus misverstandenem Zartgefühle, indem sie lieber ihre Ehre als des Geliebten Geschick gefährden wollte, leugnete Heloise ihre Verheirathung und kehrte in des Onkels Haus zurück. Die Mishandlungen, welche sie in Folge dieses von Seiten desselben, der nun die Ehre seines Hauses verletzt meinte, erfahren mußte, bewogen A., die Gattin in ein Kloster zu bringen. Darüber noch mehr entrüstet, rächte sich Fulbert an ihm durch grausame Verstümmelung. A. ward Mönch in der Abtei St. Denis und bewog auch Heloise, den Schleier zu nehmen. Doch vergebens hoffte er hinter den Klostermauern Ruhe zu finden; schon nach wenigen Jahren vertrieben ihn die Anfeindungen der Mönche von hier, worauf er unweit Nogent an der Seine eine Kapelle, Paraklet genannt, erbaute, die er, als man ihn zum Abt von St. Gildes de Ruys ernannte, Heloisen und ihrer Schwesterschaft überließ. Um ihn vollends zu Boden zu schmettern, brachten es die Mönche dahin, daß der Papst 1140 seine Lehren als ketzerisch verdammte und ihn einzukerkern befahl; allein Peter der Ehrwürdige, Abt zu Clugny, obgleich ein Gegner seiner Glaubenslehre, nahm sich seiner an, und brachte ihn in die Abtei St. Marcel, wo er 1142 starb. Heloise, welche ihn 20 Jahre überlebte, erbat sich des Geliebten Leichnam und ließ ihn im Paraklet beisetzen, um einst an seiner Seite zu ruhen. Im J. 1808 wurde Beider Asche in dem Museum franz. Denkmäler zu Paris aufgestellt, 1817 in einer besondern Kapelle zu Monami und 1828 in dem dazu erbauten und hier dargestellten Denkmale auf dem Kirchhofe Lachaise zu Paris beigesetzt. Romantisch erzählte Beider Schicksale Feßler in dem Werke »Abälard und Heloise«.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 2-3.
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