Rabelais

Rabelais

[614] Rabelais (François), als Verfasser des »Gargantua« und »Pantagruel« der älteste Meister in dem zu seiner Zeit in der franz. Literatur aufgekommenen satirischen Roman, geb. 1483 zu Chinon in der ehemaligen Touraine, jetzt Departement Indre und Loire, war eines Gastwirths oder Apothekers Sohn, trat sehr jung in den Franziskanerorden und erwarb sich durch ausdauernden Fleiß die umfänglichsten und vielseitigsten Kenntnisse.

R. soll sieben Sprachen fertig geredet, mehre andere verstanden haben, und bei seinem übrigen, [614] damals seltenen Wissen und geistigem Scharfblicke konnten ihm die schwachen und argen Seiten seiner Zeit nicht verborgen bleiben. Die abergläubige Unwissenheit seiner Ordensbrüder, von denen er fast wie ein Hexenmeister und Ketzer angesehen und behandelt wurde, bewog ihn, 1523 in den Orden der Benedictiner überzutreten, bei dem er in der Abtei Maillezais Aufnahme fand, wozu sich R. durch einige angesehene Gönner die päpstliche Erlaubniß verschafft hatte. Doch auch hier blieb er nicht lange, sondern verließ eigenmächtig das Kloster und suchte in Montpellier ein Feld für seine gelehrte Thätigkeit, wo er nach einiger Zeit Doctor und Professor der Medicin und einer der berühmtesten Lehrer der dortigen Universität wurde. Der medicinischen Facultät leistete er noch dadurch einen besondern Dienst, daß er ihr die Beibehaltung ihrer mit der Aufhebung bedrohten Vorrechte in Paris auswirkte, und zu R.'s Andenken mußte deshalb noch lange Zeit Jeder, der in Montpellier die Doctorwürde erhielt, dabei dessen Rock anziehen. Mit dem Cardinal Dubellay, seinem Jugendfreunde, ging R. 1533 als dessen Leibarzt mit nach Rom, wo er sich 1535 zum zweiten Male befand und durch Verwendung und kluges Benehmen vom Papste Verzeihung für seine Vergehen wider die Ordens- und Kirchendisciplin und die erneute Erlaubniß erhielt, in eine Benedictinerabtei zu gehen; nachdem er hierauf eine Stelle in der franz. Abtei St.-Maurus bekommen hatte, die bald nachher aufgehoben wurde, sah R. seinen Wunsch erfüllt, weltlicher Kanonikus zu werden. Im J. 1545 erhielt er die Pfarrei zu Meudon bei Paris, welche er gewissenhaft verwaltet haben soll und starb 1553, als er das wichtige Pfarramt zu St., Paul in Paris antreten sollte, nach Einigen unter erbaulichen Gedanken, nach Andern in einen Domino gehüllt, weil in der Schrift steht: beati qui in Domino morintur (selig, die im Herrn entschlafen) und nachdem er dem Boten des Cardinal Dubellay, der nach seinem Befinden fragen ließ, zur Antwort gegeben: er gehe einem großen Vielleicht entgegen. Sein berühmter Roman, dessen erstes Buch 1533 in Lyon, das letzte erst nach R.'s Tode herauskam, ist eine an derbem Mutterwitz und heiterer Laune reiche Satire jener Zeit, in der die Unwissenheit der Mönche, die Unbeholfenheit der Pedanten, die leere Prahlerei der Großen, die abergläubige Beschränktheit der Menge nach mannichfaltigen Richtungen in einer Sprache voll neuer Wendungen und Wortformen geschildert wird, wo aber freilich auch viel Zügelloses mit unterläuft und gute Sitte und guter Geschmack nicht befragt werden. Schon im 16. Jahrh. besorgte Jak. Fischart eine Übertragung davon ins Deutsche, und eine den jetzigen Anfoderungen entsprechende ist von Regis, »Meister Franz R., der Arzneidoctor, Gargantua und Pantagruel« (Lpz. 1832) besorgt worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 614-615.
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