Hermann des treuen Gottschalks Sohn

[149] Von Köllen war ein Edelknecht

Um Kundschaft ausgegangen

Sein Vater lag durch Engelbrecht

Den Bischof hart gefangen.


Er sucht durchs Land wohl manchen Tag

Er sucht in schweren Sorgen,

Sein Liebchen ihm im Sinne lag,

Der hätt' er es verborgen.


Gar traurig er am Bronnen lag

In Busch und grünen Hecken,

Da hört er schallen Hufesschlag,

Und eilt sich zu verstecken.


Er sah wohl einen frohen Mann

Zum Born sein Rößlein lenken

Ein andrer ritt betrübt heran,

Der tät die Augen senken.


O froher Mann der eine sprach

Was mag dich nur erfreuen

Betrübter Mann der Frohe sprach

Gott woll' dir Trost verleihen.


Herr Gottschalk der getreue Mann

Geht frei in unsren Landen

Durch wunderbare Hülf' entrann

Er aus des Bischofs Banden.


Er hatte eine kleine Maus

Im Kerker zahm gezogen,

Sie gieng als Gastfreund ein und aus,

Und war dem Herrn gewogen.


Die harte Rinde, die sie nagt

Tränkt er im Lampenöle[150]

Und wenn er Lebewohl gesagt

Kehrt sie nach ihrer Höhle.


Und wenn er traurig niederkniet

Und singt den Morgensegen

So tönt ihm auch ihr frommes Lied

Aus ihrem Haus entgegen.


Doch einst sein treuer Freund entlief

Und wollte nicht mehr kehren

Und wie Herr Gottschalk lockt' und rief,

Das Mäuslein wollt' nicht hören.


Bei Mittagsbrot und Abendbrot

Blieb unbenagt die Rinde:

Er grub nach ihr, ob mausetot,

Er wohl die Treue finde.


Und in der Erde eingescharrt

Fand Meißel er und Feilen,

Womit er seine Bande hart

Gar leichtlich konnt' zerteilen.


Nun geht er frei, der fromme Mann

Und wird sein Schwert bald rühren,

Ihm schließen sich die Freunde an,

Das soll der Bischof spüren.


Der andre sprach mein Schwesterlein,

Das liegt gar hart gefangen

Und selbst das treue Mäuslein dein

Könnt' nicht zu ihr gelangen.


Der falsche Knecht, die Liebe brach

In ihres Herzens Kammer,

Ihm stiegen die Gesellen nach

Das Leid und böser Jammer.[151]


Ein Freund des Bischofs sie belog

Herr Herrmann sei erschlagen

Der heimlich gegen Arle zog,

Den Vater zu erfragen.


Da gieng ihr alle Hoffnung aus

Die Schmerzen sie bezwangen

Und legten in ein festes Haus

Auf ewig sie gefangen.


Des Schlosses Dach ist himmelblau,

Die Mauren grüne Wellen,

Die Graben breit, sind Flur und Au

Die Fenster Flüss' und Quellen.


Am Fels, wo wild der Rhein zerschellt

Wo bös die Schiffe stranden,

Dort ewig sie gefangen hält

Der Schlund in kühlen Banden.


Da sprach zu ihm der frohe Mann,

Laß uns zu Gottschalk reiten,

Da treffen wir den Sohn auch an,

Den Bischof zu bestreiten.


Und da sie aus dem Walde schon

Trat wieder zu der Quelle

Herrmann des frommen Gottschalk Sohn

Der traurige Geselle.


Streit' wohl, streit' wohl, o Vater mein,

Streit wohl, und stirb in Ehren,

Ich hab' verloren das Mäuslein mein,

Es will mir nicht mehr kehren.


Mich soll wie dich o Vater mein,

Verlorne Liebe retten,

Mein Schwert, es muß die Feile sein

Und lösen meine Ketten,[152]


Da eilt er zu dem Wasserschloß

Wo bös die Schiffe stranden

Und macht sich mit dem Schwerde los

Aus seines Kerkers Banden.


Und stürzt hinab ins kühle Haus

Wo Liebchen liegt gefangen,

O Liebchen breit' die Arme aus

Ihn treulich zu empfangen.


Und läg' gefangen im kühlen Haus

Die mich so hart betrogen,

Sie hätte, eh' dies Lied noch aus

Mich auch hinabgezogen.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 149-153.
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