Dreizehnter Auftritt

[195] Die Vorigen, ohne Käthchen.


DER GRAF VOM STRAHL.

Ihr Leut, hier ist ein Beutel Gold für den,

Der in das Haus ihr folgt!

KUNIGUNDE.

Warum? Weshalb?

DER GRAF VOM STRAHL.

Veit Schmidt! Hans, du! Karl Böttiger! Fritz Töpfer!

Ist niemand unter euch?

KUNIGUNDE.

Was fällt Euch ein?

DER GRAF VOM STRAHL.

Mein Fräulein, in der Tat, ich muß gestehn –

KUNIGUNDE.

Welch ein besondrer Eifer glüht Euch an? –

Was ist dies für ein Kind?

DER GRAF VOM STRAHL.

– Es ist die Jungfrau,

Die heut mit so viel Eifer uns gedient.

KUNIGUNDE.

Bei Gott, und wenn's des Kaisers Tochter wäre!

– Was fürchtet Ihr? Das Haus, wenn es gleich brennt,

Steht, wie ein Fels, auf dem Gebälke noch;

Sie wird, auf diesem Gang, nicht gleich verderben.

Die Treppe war noch unberührt vom Strahl;

Rauch ist das einz'ge Übel, das sie findet.

KÄTHCHEN erscheint in einem brennenden Fenster.

Mein Fräulein! He! Hilf Gott! Der Rauch erstickt mich!

– Es ist der rechte Schlüssel nicht.[195]

DER GRAF VOM STRAHL zu Kunigunden.

Tod und Teufel!

Warum regiert ihr Eure Hand nicht besser?

KUNIGUNDE.

Der rechte Schlüssel nicht?

KÄTHCHEN mit schwacher Stimme.

Hilf Gott! Hilf Gott!

DER GRAF VOM STRAHL.

Komm herab, mein Kind!

KUNIGUNDE.

Laßt, laßt!

DER GRAF VOM STRAHL.

Komm herab, sag ich!

Was sollst du ohne Schlüssel dort? Komm herab!

KUNIGUNDE.

Laßt einen Augenblick –!

DER GRAF VOM STRAHL.

Wie? Was, zum Teufel!

KUNIGUNDE.

Der Schlüssel, liebes Herzens – Töchterchen,

Hängt, jetzt erinnr ich mich's, am Stift des Spiegels,

Der überm Putztisch glänzend eingefugt!

KÄTHCHEN.

Am Spiegelstift?

DER GRAF VOM STRAHL.

Beim Gott der Welt! Ich wollte,

Er hätte nie gelebt, der mich gezeichnet,

Und er, der mich gemacht hat, obenein!

– So such!

KUNIGUNDE.

Mein Augenlicht! Am Putztisch, hörst du?

KÄTHCHEN indem sie das Fenster verläßt.

Wo ist der Putztisch? Voller Rauch ist alles.

DER GRAF VOM STRAHL.

Such!

KUNIGUNDE.

An der Wand rechts.

KÄTHCHEN unsichtbar.

Rechts?

DER GRAF VOM STRAHL.

Such, sag ich!

KÄTHCHEN schwach.

Hilf Gott! Hilf Gott! Hilf Gott!

DER GRAF VOM STRAHL.

Ich sage, such! –

Verflucht die hündische Dienstfertigkeit!

FLAMMBERG.

Wenn sie nicht eilt: das Haus stürzt gleich zusammen!

DER GRAF VOM STRAHL.

Schafft eine Leiter her![196]

KUNIGUNDE.

Wie, mein Geliebter?

DER GRAF VOM STRAHL.

Schafft eine Leiter her! Ich will hinauf.

KUNIGUNDE.

Mein teurer Freund! Ihr selber wollt –?

DER GRAF VOM STRAHL.

Ich bitte!

Räumt mir den Platz! Ich will das Bild Euch schaffen.

KUNIGUNDE.

Harrt einen Augenblick noch, ich beschwör Euch.

Sie bringt es gleich herab.

DER GRAF VOM STRAHL.

Ich sage, laßt mich! –

Putztisch und Spiegel ist, und Nagelstift,

Ihr unbekannt, mir nicht; ich find's heraus,

Das Bild von Kreid und Öl auf Leinewand,

Und bring's Euch her, nach Eures Herzens Wunsch.


Vier Knechte bringen eine Feuerleiter.


– Hier! Legt die Leiter an!

ERSTER KNECHT vorn, indem er sich umsieht.

Holla! Da hinten!

EIN ANDERER zum Grafen.

Wo?

DER GRAF VOM STRAHL.

Wo das Fenster offen ist.

DIE KNECHTE heben die Leiter auf.

O ha!

DER ERSTE vorn.

Blitz! Bleibt zurück, ihr hinten da! Was macht ihr?

Die Leiter ist zu lang!

DIE ANDEREN hinten.

Das Fenster ein!

Das Kreuz des Fensters eingestoßen! So!

FLAMMBERG der mit geholfen.

Jetzt steht die Leiter fest und rührt sich nicht!

DER GRAF VOM STRAHL wirft sein Schwert weg.

Wohlan denn!

KUNIGUNDE.

Mein Geliebter! Hört mich an!

DER GRAF VOM STRAHL.

Ich bin gleich wieder da!


Er setzt einen Fuß auf die Leiter.
[197]

FLAMMBERG aufschreiend.

Halt! Gott im Himmel!

KUNIGUNDE eilt erschreckt von der Leiter weg.

Was gibt's?

DIE KNECHTE.

Das Haus sinkt! Fort zurücke!

ALLE.

Heiland der Welt! Da liegt's in Schutt und Trümmern!


Das Haus sinkt zusammen, der Graf wendet sich, und drückt beide Hände vor die Stirne; alles, was auf der Bühne ist, weicht zurück und wendet sich gleichfalls ab. – Pause.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 195-198.
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