Neunter Auftritt

[325] Aristan, Fürst der Ubier, tritt eilig auf. Die Vorigen.


ARISTAN.

Verräterei! Verräterei!

Marbod und Hermann stehn im Bund, Quintilius!

Den Teutoburger Wald umringen sie,

Mit deinem ganzen Heere dich

In der Moräste Tiefen zu ersticken!

VARUS.

Daß du zur Eule werden müßtest,

Mit deinem mitternächtlichen Geschrei!

– Woher kommt dir die Nachricht?

ARISTAN.

Mir die Nachricht? –

Hier lies den Brief, bei allen Römergöttern,

Den er mit Pfeilen eben jetzt

Ließ in die Feu'r der Deutschen schießen,

Die deinem Heereszug hierher gefolgt!


Er gibt ihm einen Zettel.


Er spricht von Freiheit, Vaterland und Rache,

Ruft uns – ich bitte dich! der gift'ge Meuter, auf,

Uns mutig seinen Scharen anzuschließen,

Die Stunde hätte deinem Heer geschlagen,

Und droht, jedwedes Haupt, das er in Waffen

Erschauen wird, die Sache Roms verfechtend,

Mit einem Beil, vom Rumpf herab, zum Kuß

Auf der Germania heil'gen Grund zu nöt'gen!

VARUS nachdem er gelesen.

Was sagten die german'schen Herrn dazu?

ARISTAN.

Was sie dazu gesagt? Die gleißnerischen Gauner!

Sie fallen alle von dir ab!

Fust rief zuerst, der Cimbern Fürst,

Die andern gleich, auf dieses Blatt, zusammen;

Und, unter einer Fichte eng

Die Häupter aneinander drückend,

Stand, einer Glucke gleich, die Rotte der Rebellen,

Und brütete, die Waffen plusternd,[325]

Gott weiß, welch eine Untat aus,

Mordvolle Blick auf mich zur Seite werfend,

Der aus der Ferne sie in Aufsicht nahm!

VARUS scharf.

Und du, Verräter, folgst dem Aufruf nicht?

ARISTAN.

Wer? Ich? Dem Ruf Armins? – Zeus' Donnerkeil

Soll mich hier gleich zur Erde schmettern,

Wenn der Gedank auch nur mein Herz beschlich!

VARUS.

Gewiß? Gewiß? – Daß mir der schlechtste just,

Von allen deutschen Fürsten, bleiben muß! –

Doch, kann es anders sein? – – O Hermann! Hermann!

So kann man blondes Haar und blaue Augen haben,

Und doch so falsch sein, wie ein Punier?

Auf! Noch ist alles nicht verloren. –

Publius Sextus!

ZWEITER FELDHERR.

Was gebeut mein Feldherr?

VARUS.

Nimm die Kohorten, die den Schweif mir bilden,

Und wirf die deutsche Hülfsschar gleich,

Die meinem Zug hierher gefolgt, zusammen!

Zur Hölle, mitleidlos, eh sie sich noch entschlossen,

Die ganze Meuterbrut herab;

Es fehlt mir hier an Stricken, sie zu binden!


Er nimmt Schild und Spieß aus der Hand eines Römers.


Ihr aber – folgt mir zu den Legionen!

Arminius, der Verräter, wähnt,

Mich durch den Anblick der Gefahr zu schrecken;

Laß sehn, wie er sich fassen wird,

Wenn ich, die Waffen in der Hand,

Gleich einem Eber, jetzt hinein mich stürze!


Alle ab.[326]


Szene: Eingang des Teutoburger Walds.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 325-327.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Hermannsschlacht
Die Hermannsschlacht
Die Hermannsschlacht: In einer Bearbeitung von Rudolph Genée. Mit Erläuterungen von Alfred Heil
Hermannsschlacht: Ein Gedicht Auf Ã-sterreich (German Edition)

Buchempfehlung

Jean Paul

Flegeljahre. Eine Biographie

Flegeljahre. Eine Biographie

Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.

386 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon