[786] Ein Zimmer im Palast.
Man sieht König Eduard auf seinem Thron sitzen, Königin Elisabeth mit dem kleinen Prinzen, Clarence, Gloster, Hastings und andre um ihn her.
KÖNIG EDUARD.
Noch einmal sitzen wir auf Englands Thron,
Zurückgekauft mit unsrer Feinde Blut.
Wie tapfre Gegner mähten wir nicht nieder,
Wie herbstlich Korn, in ihrem höchsten Stolz!
Drei Herzöge von Somerset, dreifältig
Berühmt als kühne, zuverläss'ge Krieger;
Zwei Cliffords, so den Vater wie den Sohn;
Und zwei Northumberlands, so brave Ritter
Ihr Roß je bei Trompetenklang gespornt;
Alsdann die beiden wackern Bären, Warwick
Und Montague, sie, die in ihren Ketten
Den königlichen Leu'n gefesselt haben,
Vor deren Brüllen oft der Wald erbebt.
So scheuchten wir Verdacht von unserm Thron
Und machten Sicherheit zum Schemel uns. –
Komm, Betty, her, laß meinen Sohn mich küssen. –
Mein Kind, für dich bin ich und meine Brüder
Die Winternacht gerüstet wach geblieben,
Zu Fuß gewandert in des Sommers Glut,
Daß dein die Kron' in Frieden wieder wäre,
Und ernten sollst du unsrer Mühen Frucht.
GLOSTER beiseit.
Wenn Ihr zur Ruh' Euch legt, verderb' ich sie,
Denn noch bemerkt man kaum mich in der Welt.
Zum Heben ward die Schulter mir getürmt,
Und heben soll sie Lasten, oder brechen. –
Du, bahne mir den Weg, und dies vollbringe!
KÖNIG EDUARD.
Clarence und Gloster, liebet mein Gemahl,
Und küßt den königlichen Neffen, Brüder!
CLARENCE.
Die Treu', die Euer Majestät gebührt,
Versiegl' ich auf des holden Säuglings Lippen.
KÖNIG EDUARD.
Dank, edler Clarence! Würd'ger Bruder, Dank![786]
GLOSTER.
Daß ich den Baum, von dem du sprossest, liebe,
Bezeuge dieser Kuß, der Frucht gegeben. –
Beiseit.
So küßt', in Wahrheit, Judas seinen Meister
Und rief ihm Heil zu, da er Unheil meinte.
KÖNIG EDUARD.
Nun thron' ich, wie mein Herz begehrt: mir ward
Des Landes Frieden und der Brüder Liebe.
CLARENCE.
Was ist mit Margareten Euer Schluß?
Reignier, ihr Vater, hat an Frankreichs König
Sizilien und Jerusalem verpfändet,
Das sandten sie zur Lösung für sie her.
KÖNIG EDUARD.
Fort mit ihr, setzet sie nach Frankreich über!
Was ist nun übrig, als die Zeit verbringen
Mit stattlichem Gepräng' und lust'gen Spielen,
Geschickt für die Ergötzung eines Hofs? –
Tönt, Pauken und Trompeten! Leid, fahr' hin!
Wir hoffen dauerhaften Glücks Beginn.
Alle ab.[787]
Buchempfehlung
Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.
48 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro