Der Humorist singt

Fährt in Berlin die Straßenbahn,

dann ist sie proppenvoll.

Was da mit dir, o Mensch, getan

wird, das ist einfach doll.

Man rüttelt dich,

man schüttelt dich;[188]

man drängt dich so

und engt dich so –

In einen Wagen gehen glatt

zweihundert Menschen rein . . .

Wer ihn früher nicht gesehen hat,

der denkt, das muß so sein –!


New York sitzt an der Panke Strand.

Es kauft uns arm der Gent.

Er kriegt den ganzen Hektar Land

für sechseinhalben Cent.

Die Börse winkt.

Valuta sinkt.

Wirf weg die Mark!

Was soll der Quark!

Am Abend steht im Tageblatt:

»Der Geldwert ist so klein . . . «

Wer ihn früher nicht gesehen hat,

der denkt, das muß so sein –!


Am Tische sitzt Herr Helfferich.

(Abstehen seine Ohren.)

Er schimpft und schilt gar fürchterlich,

weil wir den Krieg verloren.

Wie er enthüllt

und schneidig brüllt!

Pfui Politik

der Republik!

»Die neuen Herrn sind mau und matt!«

So hörst du laut ihn schrein . . .

Wer ihn früher nicht gesehen hat,

der denkt, das muß so sein –!


November Achtzehn schlug die Uhr

zwölfmal in deutschen Landen.

Die Nationalen hörtens nur,

als sie im Nu verschwanden.

Nun sind sie ja

all wieder da.

Es kam so weit

im Lauf der Zeit.

In jedem Dorf, in jeder Stadt,

da pöbeln sie allein . . .

Wer sie früher nicht gesehen hat,

der denkt, das muß so sein –![189]


  • · Theobald Tiger
    Ulk, 05.03.1920, Nr. 10.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

L'Arronge, Adolph

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Hasemann's Töchter. Volksstück in 4 Akten

Als leichte Unterhaltung verhohlene Gesellschaftskritik

78 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon