Erstes Bruchstück

Pilgerschaft

[97] 405

Die Pilgerschaft, ich künde sie:

Scharfsichtig wie er zog hinweg,

Erforschend wie er weiterzog,

An Pilgerschaft Gefallen fand.


406

›Gefangen hält uns Häuslichkeit,

Ein Winkel ist es voller Schmutz;

Wie Himmelsraum ist Pilgerschaft‹:

In solchem Blicke zog er fort.


407

Hinausgezogen hat er dann

In Werken übler Tat entsagt,

Kein Wort geredet unrecht mehr,

Den Lebenswandel abgeklärt.


408

Nach Rājagaham ging der Herr,

Zur Felsenburg von Magadhā,

Almosenbissen wartend ab,

Der machtbegabte ganze Mann.


409

Da sah ihn Bimbisāro gehn,

Der König, der am Söller stand:

Den Machtbegabten merkt' er wohl,

Zu sagen hub er also an:


[97] 410

»Ihr Lieben, habt auf diesen acht:

Anmutig scheint er, heiter, stark,

Mit rechtem Schritt und Tritt begabt,

Vier Spannen blickt er vor sich hin,


411

Gesenkten Auges, still gefaßt,

Aus niederm Stande scheint er nicht;

Herolde, eilt hinab, ihm nach,

Wohin der Mönch sich wenden will.«


412

Die Königsboten, abgesandt,

Sie folgten Schritt um Schritt ihm nach:

›Wohin mag wenden sich der Mönch,

Wo wird er Aufenthalt ersehn?‹


413

Von Haus zu Hause stand er still,

Gar wohl behütet, sinnbezähmt:

Gefüllt war seine Schale bald,

Besonnen ging er, klar bewußt.


414

Der Mittagsgang war abgetan;

Die Stadt nun ließ er hinter sich,

Zum Grauen Horne zog der Mönch:

›Da wird er Aufenthalt ersehn.‹


415

Sie merkten wo er Rast erwählt,

Die Boten, hielten Wache dort:

Und einer kehrte heim alsbald

Und gab dem Herrscher wohl Bescheid:


416

»Der Mönch, o großer König, dort,

Am Grauen Horne weilt er jetzt,

Gelagert wie ein Tigerfürst,

Dem Löwen gleich im Felsentor.«


[98] 417

Wie Botenwort er so vernahm,

Der Kriegsherr mit dem Roßgespann

Von dannen, eilig anzuschaun,

Zum Grauen Horne fuhr er hin.


418

Er fuhr so weit man fahren kann,

Dann stieg vom Wagen ab der Fürst:

Zu Fuße schritt er näher nun,

Heranzutreten bis vor ihn.


419

Beiseite sitzend bot er Gruß,

Der König, tauschte Wort um Wort,

Denkwürdig führt' er das Gespräch

Und hub zu reden also an:


420

»So jugendkräftig, jugendstark,

In erster Mannesblüte, frisch,

Von edlem Ansehn, schöngestalt,

Ein Krieger scheinst du von Geburt,


421

Wie vor dem Heere leuchtend hell,

Wann Elefantenschar uns folgt:

Gern schenk' ich Schätze, sei Genoß,

Und sag', aus welchem Stamm du bist.«


Der Herr:


422

»Im Norden, König, liegt ein Land,

Vor Gletscherrücken hingestreckt,

Mit Kraft und Fülle reich begabt,

Kosaler Nachbarn grenzt es an.


[99] 423

Vom Sonnenstamme stamm' ich ab,

Ein Sakyer bin ich von Geburt:

Ich habe solchem Haus entsagt,

Genießen, das begehr' ich nicht.


424

Genuß, als Elend merkt' ich ihn,

Entgangen such' ich Sicherheit:

Zu kämpfen schreit' ich weiter vor,

Daran ergetzt sich mein Gemüt.«

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 97-100.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Platen, August von

Gedichte. Ausgabe 1834

Gedichte. Ausgabe 1834

Die letzte zu Lebzeiten des Autors, der 1835 starb, erschienene Lyriksammlung.

242 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon