XXIII

Das Elefanten-Kapitel

[683] 320

Ich trug, gleichwie der Elefant

Im Schlachtgewühl den Pfeil empfängt,

Geduldig scharfer Rede Qual;

Gemein ist ja das Menschenvolk.


321

Bezähmt geleiten sie ihn her,

Bezähmt besteigt der König ihn;

Bezähmt ist der Vorzüglichste,

Der Schimpf und Spott geduldig trägt.


322

Gut sind gezähmte Maultiere,

Gut edle Pferde, wohlgehegt,

Gut Elefanten, sanft gemacht:

Doch besser der sich selbst bezähmt.


323

Denn wahrlich: keins von diesen führt

Ins unbetretne Reich dich hin,

Wohin mit wohlbezähmtem Selbst

Der Selbstbesieger hingelangt.


324

Dhanapālako, der wilde Elefant,

Dem herber Brunstsaft über beide Schläfen rinnt,

Gefangen nimmt er keine Nahrung an,

Es denkt an seinen teuern Wald der Elefant.


[684] 325

Ein müder, mattgewordner, fauler Vielfraß,

Der schläfrig träge überall herumliegt,

Gleich gnadenbrotgenährtem Elefanten,

Tritt wieder, immer wieder in das Dasein.


326

Einst stürmte jubelnd dieses wilde Herz dahin,

Wohin sein Wille, seine Lust, sein Glück es trieb:

Von heut an werd' ich tapfer halten dich zurück,

Gleichwie der Bändiger den Elefanten zwingt.


327

Seid wachsam heiter-ernsten Sinns

Und hütet wohl das eigne Herz;

Reißt aus dem Irrweg euch heraus,

Wie sumpfversunkner Elefant.


328

Wenn einen einsichtigen Freund du findest,

Der mit dir wandelt ernst, entschlossen, standhaft,

Siegreich bezwingend sämtliche Gefahren,

Leb' heiter-glücklich du mit ihm, o Weiser.


329

Wenn keinen einsichtigen Freund du findest,

Der mit dir wandelt ernst, entschlossen, standhaft,

Gleichwie ein König nach des Reichs Besiegung

Zieh' hin allein, dem Waldeselefanten gleich.


330

Wer einsam bleibt ist besser dran,

Mit Toren schließt man keinen Bund;

Allein zieh' hin und meide alles böse Tun,

Still, heiter, frei, dem Waldeselefanten gleich.


331

Ein Glück sind Freunde, wenn uns Not betroffen,

Ein Glück Zufriedenheit, sei's diese, jene,

Ein Glück der edle Sinn beim Lebensende,

Ein Glück das ganze Leiden zu verlassen.


[685] 332

Ein Glück der Welt ist Mutterschaft,

Ein Glück ist auch die Vaterschaft,

Ein Glück der Welt ist Mönch zu sein,

Ein Glück ist auch die Heiligkeit.


333

Ein Glück ist stete Redlichkeit,

Ein Glück gesichertes Vertraun,

Ein Glück weisheitergriffen sein,

Ein Glück nichts Böses je zu tun.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 683-686.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.

38 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon