Als Bettler pilgernd, ungeheilt im Herzen,
Ein maulvergnügter Magenknecht, ein Feigling,
Wie alter Elefant genährt in Gnaden,
Geburten wechselnd wandelt er erbärmlich.
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Aus Eigendünkel unbedacht,
Um bunte Bilder süchtig sein,
Von Gunst und Ungunst gleich verstört:
Nicht kennt ein solcher stilles Glück.
Nach diesem Becher dürst' ich nicht:
Gesättigt von der Wahrheit Wonnetrunk,
Von bester Würze Kraft erfüllt
Will nimmer nippen an dem Giftpokal.
Wie leicht ist, wahrlich, doch mein Leib,
Von lichter Freude rüstig froh belebt!
Wie Wolle, die der Wind vom Baume weht,
Getragen treibt mein Leib dahin.
Verharre nicht in Angst und Not,
Und auch behaglich sollst nicht sein:
Die Stätte, die dir nimmer nützt,
Verlasse, Weiser, weile nicht.
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Was hundertfach ist offenbar,
Was hundert Zeichen zeigt genau,
Gewahrt ein Tropf als Trümmer nur:
Als Ganzes wer um Wissen geht.
Hab' abgewogen Wohl zu Weh,
Und bin als Bettler zogen hin;
Drei Wissenschaften sind geschafft,
Erfüllt ist was der Herr befiehlt.
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An Jahren hundertzwanzig alt
Bin noch als Bettler zogen aus;
Drei Wissenschaften sind geschafft,
Erfüllt ist was der Herr befiehlt.
Und übt er einsam Wort um Wort nicht innig ein,
Vom höchsten Mitleid, Mitgefühl das Meisterwort?
Er weilt ja klug besonnen, weislich sinnenklar,
Der Hindin gleich, die zart und zag im Haine haust.
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Die Bäume, hoch gewipfelt, breit gespreitet,
Von höhrer Wolkentraufe frisch beträufelt,
Entbieten ihm, der einsam will im Walde sein,
Dem Mönch allmählich gern gesellig sichre Gunst.
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