Faust

[17] Faust (Doctor Johann), ein berühmter Schwarzkünstler, der um den Anfang des 16. Jahrh. gelebt haben soll und dessen die deutsche Dichtkunst sich vielfach bedient hat, um an ihm diejenigen geistigen Verirrungen, zu denen der Deutsche vermöge seines Charakters am geneigtesten ist, darzustellen. Wenn sich F. Gott und dem Himmel trotzig entgegenstellt, so geschieht dies nicht, indem er lachend der Luft des Leibes fröhnt, noch indem er ein Phantom der Ehre selbstgefällig zu seinem Lebensprincip macht, sondern mit tiefer Gelehrsamkeit und Wissenschaft ausgerüstet, übernimmt er sich, selbst ein Herr der Geister zu sein, der sich dem Willen Gottes entziehen, ja entgegensetzen könne. Wie es aber stets dem endlichen Geiste ergeht, der sich über den unendlichen Geist stellt – seine Herrschaft ist gar bald zu Ende und macht einer ewigen Knechtschaft Platz – der ein Herr der bösen Geister war, wird nach wenig Jahren abgeführt vom Teufel, um eine Ewigkeit in schmählicher, schmerzlicher Knechtschaft zu liegen. – Was das Historische von F. betrifft, so soll er in Kundlingen im Würtembergischen, oder in Roda, einem weimar. Flecken, oder in Soltwedel (Salzwedel), einem Städtchen in der Altmark Brandenburg, geboren und später von einem reichen Vetter nach Wittenberg genommen, erzogen und zum Erben eingesetzt worden sein. Nach Einigen soll er in Wittenberg, nach Andern in Krakau und zwar hier besonders Magie studirt haben. Darauf zog er in Deutschland umher und suchte durch Wunderthaten Ruhm und Geld zu erwerben, namentlich in Prag, Erfurt und Leipzig soll er sein Wesen getrieben haben. In Erfurt hielt er Vorlesungen und citirte zum Entsetzen seiner Zuhörer Geister; in Leipzig ritt er auf einem Fasse aus Auerbach's Keller. Dieser ist noch jetzt ein Weinkeller und zwei alte Gemälde erinnern noch an den Aufenthalt F.'s. Als stete Begleiter F.'s werden sein Famulus Wagner und ein Hund angeführt, in welchem letztern F.'s dienender Höllengeist gesteckt haben soll. Dieser Geist hieß Mephistopheles, und derselbe war es, der endlich, nachdem F.'s Zeit um war, in seiner scheußlichen Teufelsgestalt erschien und ihn mit sich fort in den Höllenpfuhl nahm. Den Leichnam fand man mit zerbrochenen Gliedern auf einem Misthaufen; nach Andern soll ihm der Teufel zu Kundlingen den Hals umgedreht haben. Es hat auch nicht an Solchen gefehlt, welche daran gezweifelt, daß jemals ein Dr. Faust wirklich existirt habe; sie meinen Faustus, welches lat. ist und glücklich bedeutet, sei ein allegorischer Name, den man einer erdachten Person gegeben; Andere haben den Dr. F. mit dem Fuft verwechselt, der unter dem Erfinder der Buchdruckerkunst (s.d.) genannt wird. Der Dr. F. ist von jeher so sehr ein Gegenstand des Interesses gewesen, daß man vor Kurzem 106 Werke (darunter auch ausländische), welche ihn angehen, gezählt hat. Auch die Malerei und Kupferstechkunst hat ihn vielfach zum Gegenstande genommen, zum Theil sich anschließend an die poetischen Werke, welche ihn schildern. Das ausgezeichnetste poetische Werk der Deutschen und vielleicht aller Nationen ist Göthe's (s.d.) F., welches einen Mann darstellt, »der in den allgemeinen Erdenschranken sich ungeduldig und unbehaglich fühlend, den Besitz des höchsten Wissens, den Genuß der schönsten Güter für unzulänglich achtet, seine Sehnsucht auch nur im mindesten zu befriedigen, einen Geist, welcher daher nach allen Seiten hin sich wendend, immer unglücklicher zurückkehrt.« Die göttliche Gnade erbarmt sich zuletzt des Gestorbenen, nachdem er noch vor seinem Ende die Irrigkeit seines Treibens erkannt hat.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 17.
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