Cranmer

[229] Cranmer (Krännmer), auch Crammer, Thomas, engl. Reformator, wurde geb. 1489 zu Aslacton, Grafschaft Nottingham und stammte aus einem alten normännischen Geschlechte. Durch Geistesgaben hervorragend wurde er Pfründner und Geistlicher am Jesuscolleg zu Cambridge, verlor seine Stelle, als man entdeckte, daß er sich verheirathet habe und erhielt sie wieder, nachdem seine Frau früh gestorben. Seit 1523 Doctor der Theologie und Examinator, brachte ihn ein unkirchlicher Einfall während eines Aufenthaltes zu Waltham in Essex mit Heinrich VIII. und Anna Boleyn in nahe Berührung. Hausgenosse u. Rathgeber der letztern, lieferte er 1530 eine Schrift für die Ehescheidung des Königs von Katharina von Aragon, redete dafür als Abgesandter in Rom, wo ihn der Papst zum Großpönitentiar machte, in die Ehescheidung jedoch nicht einwilligte. Aber C. sammelte von deutschen Universitäten und reformationsfreundlichen Gelehrten Gutachten für dieselbe, wurde dafür vom König zum Erzbischof von Canterbury und Primas Englands ernannt und ließ jetzt die Nichte Osianders, mit der er seine zweite heimliche Ehe bereits in Deutschland geschlossen, nach England kommen. Unmittelbar vor der Consecration, wo er dem Papste Gehorsam schwur, schwur er in einer Kapelle vor Zeugen, er werde sich durch den Eid des Gehorsams zu nichts verpflichten, was den Geboten Gottes und des Königs zuwider sei, erbat »aus Gewissensdrang« von letzterm, der bereits den Rath seines Ministers Cromwell befolgt und sich von Rom losgerissen hatte, die geistliche Jurisdiction, nahm die Ehescheidung vor und erklärte die Ehe mit der Boleyn, bei deren Vollziehung er schon ein halbes Jahr vorher assistiert hatte, für giltig; als der Papst C.s Urtheil cassierte, that dieser Alles, damit das Parlament den König zum Oberhaupte der Kirche, dieser die ihm ergebenen Bischöfe als Nachfolger der Apostel erklärte. Schon 1536 erkannte C. die Ehe Heinrichs VIII. mit Boleyn »nach Anrufung des Namens Christi und Gott allein vor Augen habend« für ungiltig, wiederholte solches Spiel mit Eiden noch mehr als einmal und verdiente das Lob des Königs, »er sei der einzige, der sich niemals seinem Willen widersetzt habe«, auch in Glaubenssachen, indem er, der heimliche Protestant und verheirathete Erzbischof, fortwährend katholisch predigte, ehrliche Neuerer hinrichten und den Cölibat als Staatskirchengesetz streng fortbestehen ließ, weil der König zwar Oberherr der Kirche sein, am Glauben aber so wenig als möglich ändern wollte. 1547 erst kam mit Eduard VI. und Somerset für C. die Gelegenheit, Heinrichs VIII. »Blutartikel« mit den 39 Artikeln zu vertauschen, Messe u. Cölibat abzuschaffen, eigenthümliche Gebräuche mit manchen katholischen, das Staatskirchenthum mit der Episcopalverfassung mosaikartig zu verbinden, Homilienbuch, Katechismus und Liturgie abzufassen und dem neuen Bau durch das Blut derer, »welche anders protestierten als er«, Kitt zu geben. Zweifelsohne hatte C. neben Warwick den meisten Antheil an der Ungerechtigkeit, nach Eduards Tod Johanna Gray auf den Thron zu bringen; doch mit der kath. Maria kam für ihn die rasche Vernichtung seines Reformationswerkes, Einkerkerung als Ketzer und Hochverräther und das Todesurtheil, dessen Zurücknahme er durch mehrere ebenso kläglich als schauerlich lautende Widerrufe und Geständnisse nicht bewirkte. Er wurde 1556 am 21. März 67jährig verbrannt. Sein ganzes Leben u. Umstände lassen zweifeln, ob sein letzter [229] Widerruf der Widerrufe auf dem Scheiterhaufen mehr als ein Act verzweifelnder Rachsucht gewesen; das Versengen der Hand, womit er einst seinen Widerruf des Protestantismus unterzeichnet, ist eine Erfindung Burnets, da C. mit festgebundenen Händen nach gewöhnlicher Art verbrannt wurde.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 229-230.
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