Achtzehnter Auftritt.

[60] Königliches Schloß in Sevilla.

Don Gonzalo de Ulloa. Der König von Kastilien.


KÖNIG.

Wie glückt' euch die Gesandschaft, Großkomtur?

DON GONZALO.

Ich fand den König Don Juan, deinen Vetter,

In Lissabon, wo er ein Kriegsgeschwader

Von dreißig Schiffen rüstete.

KÖNIG.

Wohin?

DON GONZALO.

Nach Goa, sagt' er mir; jedoch ich glaube,

Ein leichtres Unternehmen rüstet er.

Ich denke, Ceuta oder Tanger will

Er diesen Lenz belagern.

KÖNIG.

Hilf' und Lohn

Gewähr' ihm Gott, für dessen Ruhm er eifert!

– Wie seid ihr übereingekommen?

DON GONZALO.

Herr,

Er fordert Cerpa, Mora, Olivenza

Und Toro; dafür beut er Almendral,

Herrera, Villaverde, Mértola.

KÖNIG.

Wohl; zwischen Spanien und Portugal[60]

Soll unterzeichnet werden der Vertrag,

Und unverzüglich. Doch vor allem sagt:

Wie ging's euch auf der Fahrt? Schwer war der Dienst,

Doch groß auch das Verdienst.

DON GONZALO.

In eurem Dienst

Ist nichts mir schwer.

KÖNIG.

Wohl ein gesegnet Land

Ist Lissabon?

DON GONZALO.

Hispaniens größte Stadt;

Und willst du, daß ich sage, was ich sah,

Werd' ich von seinen seltnen Reizen dir

Sofort ein treues Bild vor Augen legen.

KÖNIG.

Gern werd' ich's hören. – Einen Sessel bringt! –


Diener bringen ihm einen Sessel.


DON GONZALO.

Der Welt gilt Lissabon als achtes Wunder! –

– In Spaniens Herzen, dem Gebiet von Cuenca,

Entquillt der wasserreiche Tajo, der

Durch Spaniens Mitte strömt. Dem Ocean

Gesellt er sich am heiligen Gestad

Von Lissabon, gen Süden. Eh ihm aber

Sein hehrer Name endet und sein Lauf,

Hat er inmitten zweier Bergesketten

Den besten Hafen ausgehöhlt, darin

Sich Barken, Schiffe, Caravellen bergen.

Da sind so viel Lastschiffe und Galeeren,

Daß du vom Land aus eine große Stadt

Zu schauen wähnest, wo Neptun regiert.

Den Hafen hüten gegen West zwei Vesten,

Cascaes und Sankt Julian, die stärksten wohl

Auf Erden. Eine halbe Meile fern

Der großen Hauptstadt liegt Belem, das Kloster[61]

Des Heil'gen, den ihr an dem Stein erkennt,

Und an dem Löwen, der ihn treu bewacht1;

Da ist den Königen und Königinnen,

Den altkatholisch-christlichen, bereitet

Der ew'gen Ruhe Sitz. Der mächt'ge Bau

Lehnt an Alcantara, und streckt sich hin

Wohl eine Meile zur Abtei Jabregas.

Inmitten liegt, gekrönet von drei Hügeln,

Das schöne Thal; – Apelles ließe selbst

Den Pinsel fallen, wenn er's malen sollte.

Die Hügel, wenn du sie von Weitem siehst,

Sind Riesenfrüchten gleich aus Perlen, nieder

Vom Himmel hangend; und ihr weiter Kreis

Umschließt ein zehnfach Rom an Klöstern und

An Kirchen, Bauten, Straßen, Rittergütern

Und Komtureien; ja ein zehnfach Rom

An Wissenschaft und Waffen, an des Rechts

Gerechter Pflege, und an thätiger

Barmherzigkeit, der Ehre Portugals.

Und was zumeist ich rühm' an jenem Bau:

Du siehst vom selben Schloß in einem Umkreis

Von kaum drei Meilen wohl an sechzig Orte,

An deren Pforten pocht der Ocean;

Darunter ist das Kloster Olivela;

Wo ich sechshundert dreißig Zellen sah

Mit eignen Augen; Nonnen aber sind

Und Laienschwestern mehr als zwölfmal hundert.

Von dort bis Lissabon, wie sehr gering

Auch die Entfernung sei, sind eilfmal hundert

Und dreißig Meierhöfe, jeglicher

Mit seinem Garten, seinem Schattengang.

Inmitten Lissabons erstrecket sich

Ein prächt'ger Platz, Rocío nennt er sich;

Und über diesem hat vor hundert Jahren[62]

Das Meer noch seinen Sand gerollt. Doch jetzt

Stehn dreißigtausend Häuser von dem Platz

Bis hin zum Meere; denn es hat seitdem,

Die Strömung wechselnd, andren Uferstellen

Sich zugewendet. Eine Straß' ist dort,

– Die neue heißt sie, – die in sich allein

An Pracht und Glanz den ganzen Orient

Umschließt; so daß, wie mir der König sagte,

Ein Handelsherr dort wohnet, der sein Gold,

Weil er's nicht zählen kann, mit Scheffeln mißt.

Am Strand, wo Portugal sein Königsschloß

Gegründet hat, sind zahllos Schiffe stets

Vor Anker, die das Land mit Frankreichs Korn

Und Englands Weizen nähren. Und die Burg

Des Königs, deren Fuß der Tajo küßt,

(Ruhmvoll zu sagen!) ist Ulysses' Werk,

Der auch der Stadt den röm'schen Namen gab;

Denn auf Latein heißt sie Ulisipo.

Ihr Wappen ist die Kugel, drüber prangen

Die Wundenmale, die in blut'ger Schlacht

Dem König Don Alonso Enriquez

Die ew'ge Majestät des Herrn verliehn.

Auf ihrer großen Werfte liegen viel

Der Schiffe; da liegt auch die stolze Flotte,

Die zur Eroberung gerüstet wird:

So mächt'ge Schiffe, daß, vom Land gesehn,

Der Mastenwald die Sterne scheint zu rühren.

Und was vor Allem wunderbar zu sagen

Von jener Stadt: wenn ihre Bürger sich

Zum Mahle setzen, schaun sie von den Tischen,

Wie man vor ihren Thüren wirft die Netze,

Und wie man dann herein zu diesen Thüren

Noch zappelnd in dem Garn die Fische bringt.

Und über Alles: jeden Abend nahn

Zu ihrem Ufer mehr als tausend Barken,

Beladen reich mit Waaren mannigfalt,[63]

Und was das tägliche Bedürfniß heischt:

Brot, Oel und Wein, Holz, Früchte jeder Art;

Aus dem Gebirg Estrella rohes Eis,

Das auf dem Kopfe man die Straßen durch

Ausrufend zum Verkaufe bringt. – Jedoch

Was müh' ich mich mit Worten ab? Es hieße

Die Sterne zählen, wollt' ich einen Theil

Erzählen von den Schätzen Lissabons.

Einhundert dreißig tausend Bürger hat

Die Stadt, mein hoher Herr; und daß ich dich

Nicht mehr ermüde, – einen König, der

Durch meinen Mund dir seine Dienste beut.

KÖNIG.

Mehr gilt mir's, Don Gonzalo, daß von euch

Ich die gedrängte Schilderung vernommen,

Als hätt' ich ihre Größe selbst gesehn. – –

Besitzt ihr Kinder?

DON GONZALO.

Eine holde Tochter,

O Herr, in deren Antlitz die Natur

Sich selber übertroffen.

KÖNIG.

Wohl, ich will

Mit eigner Hand ihr einen Gatten wählen.

DON GONZALO.

Was dein Belieben sei, mein hoher Herr,

So sag' ich zu für sie. Und wen bestimmst

Du ihr zum Gatten?

KÖNIG.

Zwar in fremdem Land

Ist er, doch aus Sevilla; und er heißt

Don Juan Tenorio.

DON GONZALO.

Augenblicks bring' ich

Dein Wort zu Doña Anna.[64]

KÖNIG.

Geht mit Gott,

Und kehrt bald mit der Antwort, Don Gonzalo.


Beide ab.

1

Sankt Hieronymus.

Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 60-65.
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