Seegeschütze

[741] Seegeschütze, die Geschütze der Kriegsschiffe. Schon im frühen Alterthum schleuderte man mit Benutzung von Wurfmaschinen (Katapulten) Steine, Pfeile, bisweilen auch das sogenannte Griechische Feuer auf das feindliche Deck. Ähnlich verfuhr man im Mittelalter, indem z.B. die englischen Galeeren den Windmühlen ähnliche Vorrichtungen führten, welche Geschosse gegen den Feind schleuderten. Nach Erfindung des Pulvers wendete man, u. zwar zuerst im Jahre 1350 im Seekampfe zwischen dem Maurenkönige von Sevilla u. dem Bai von Tunis, Kanonen an, welche zuerst bleierne, dann Steinkugeln schossen. Diese Geschütze waren jedoch so unbehülflich, daß sich neben ihnen die alten Wurfmaschinen noch lange erhielten. Erst im 16. Jahrh., als die Schifffahrt in Folge der geographischen Entdeckungen der Spanier u. Portugiesen mehr u. mehr an Umfang gewann u. daher auch die Seekriege eine erhöhte Bedeutung erhielten, hatte man angefangen die Kanonen, u. zwar in einigermaßen vervollkommneter Einrichtung, allgemein zur Bewaffnung der Schiffe zu verwenden. Diese Geschütze waren jedoch von sehr verschiedenem Kaliber; man führte 32-, 24-, 18-, 9- u. 5pfünder, wohl Feldschlangen, Falconetts etc., welche nur 1–3pfündige Kugeln schossen. So unzulänglich sich diese S. auch erweisen mochten, blieben sie doch bis gegen Ende des 18. Jahrh. im Wesentlichen im Gebrauch, nur daß man sie seit dem Ende des 17. Jahrh. häufig aus Eisen, anstatt wie bisher aus Bronze fertigte. Im Jahre 1774 gelangten die sogenannten Carronaden (s.d.) zur Einführung, wodurch das Material bei großer Vereinfachung eine wesentlich erhöhte Wirksamkeit erhielt. Der Krieg zwischen England u. Nordamerika führte noch schwerere u. gleichmäßigere Armirung der Schiffe herbei, hauptsächlich wendete man den 32pfünder zu S-n an. Mit Anwendung des Dampfes für die Schifffahrt wurde das Kaliber der S. abermals schwerer, indem man den Dampfern in England 56pfünder gab. Gleichzeitig kamen die von Paixhans vorgeschlagenen Bombenkanonen mehr u. mehr in Anwendung, namentlich der 68pfünder, neben denen jedoch auch gewöhnlich noch 32pfünder geführt wurden. England, Frankreich, Rußland, Holland, kurz fast alle Kriegsmarinen Europa's nahmen dieses System an, während man in Amerika Geschütze von noch weit größerem Kaliber (150–200pfünder) anwendete. Auch nach Einführung der Schraubenschiffe blieb man bei dem System der Bombenkanonen, bis man in neuester Zeit die technischen Schwierigkeiten, welche der Anwendung gezogener u. von hinten zu ladender Geschütze entgegenstanden, zu überwinden vermocht hat u. nun in den Marinen allgemein gezogene Geschütze von sehr schwerem Kaliber (100–300pfündig) anzunehmen im Begriffe steht. Die bei den S-n angewendeten Laffeten sind bisher entweder die gewöhnliche vierrädrige Festungs- od. die Pivotlaffeten gewesen. Die sogenannten Marschallslaffeten, so benannt nach ihrem Erfinder, haben die alte einrädrige Laffete nicht verdrängen können, weil ihre Construction zu complicirt u. ihr Rücklauf zu bedeutend war. Vereinzelt hat man auch Rahmenlaffeten angewendet.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 741.
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