Budapester Untergrundbahn

[129] Budapester Untergrundbahn (Franz-Josef-elektrische Untergrundbahn). Konzessioniert 1894, eröffnet 1896. Sie beginnt in der Vigadogasse in der Nähe der Donau und führt unter dem Giselaplatz, der Harminczadgasse, dem Deák-Ferencz-Platz, dem Weitzner-Boulevard und der Andrássystraße bis zum Stadtwäldchen, woselbst der Aufstieg in das Niveau in einem offenen Einschnitt erfolgt und[129] die Bahn in der Nähe des artesischen Bades endigt. Sie besitzt bei einer Länge von 3700 m 11 Haltestellen, Von diesen Haltestellen liegen die neun ersten im Tunnel und die beiden letzten im Niveau des Stadtwäldchens.

Abb. 103 zeigt den Lageplan der B., die Abb. 104 und 105 enthalten Quer- und Längenschnitte an verschiedenen Stellen der Andrássystraße.

Die B. besitzt im Tunnel eine lichte Weite von 6∙0 m und eine lichte Höhe zwischen Schienenoberkante und Deckenunterkante von 2∙75 m. Die lichte Höhe des Tunnels mußte mit Rücksicht auf die Höhenlage des Hauptkanals der Ringstraße, der am Oktogonplatz von der B. übersetzt wird, auf ein Mindestmaß beschränkt werden.

Die Sohle und die Seitenwände der B. wurden aus Beton, die Decke aus Eisen und Beton hergestellt. Der Beton besteht aus einer Mischung von Portlandzement und frisch gebaggertem Donauschotter. Dieser ist eine natürliche Mischung von fein- und grobkörnigem Kies mit gröberem Schotter bis zu Hühnereigröße. Als Mischungsverhältnis von Portlandzement zu Donauschotter wurde für die Sohle 1 : 8, für die Seitenwände 1 : 7, für die Decke 1 : 6 und für die Pflasterunterlage 1 : 9 gewählt. Nur der Fundamentbeton im Grundwasser auf dem äußeren Teile der Andrássystraße erhielt einen Zusatz von Romanzement und wurde aus 1/2 Teil Portlandzement, 1/2 Teil Romanzement und 8 Teilen Donauschotter hergestellt. Die Decke des Tunnels besteht aus Querträgern von 300, 320 und 350 mm Höhe, entsprechend der Belastung, und dazwischen betonierten Gewölben. Die in 1 m Abstand befindlichen Querträger lagern mit ihren Enden auf den betonierten Seitenmauern und in der Mitte des Tunnels auf Doppellängsträgern von 320 und 350 mm Höhe, welch letztere von schmiedeeisernen Säulen in Abständen von 3 bis 4 m unterstützt werden. Als Belastung für die Berechnung der Deckenkonstruktion wurden zweiachsige Lastwagen von 16.000 kg Gesamtgewicht, 1∙50 m Spurweite und 3 m Achsstand von der Behörde vorgeschrieben. Für das Weitzner-Boulevard und einige Querstraßen wurden 24.000 kg schwere Lastwagen mit 1∙60 m[130] Spurweite und 4 m Achsstand vorgeschrieben. Die Säulen in der Bahnachse sind aus zwei Budapester Untergrundbahn-Eisen von 160 × 8 + 65 × 12 mm Stärke und zwei Flacheisen von 200 × 8 mm Stärke mit entsprechenden Kopf- und Fußplatten und Verbindungswinkeleisen zusammengenietet. Zur Verwendung gelangte nur Martinflußeisen. Um die Eisenteile der Tunneldecke gegen Feuchtigkeit und gegen das Rosten zu schützen, wurde die Decke des Tunnels mit Asphaltfilzplatten abgedeckt. Auf der Strecke im Grundwasser kam eine Asphaltplattenabdeckung in der Sohle und in den Seitenwänden des Tunnels zur Ausführung, um das Eindringen des Grundwassers zu verhüten. (Abb. 105.)

Die Haltestellen der B. wurden derart angeordnet, daß im Tunnel beiderseits außerhalb der Gleise je ein Bahnsteig von 3 bis 8 m Breite und 24 bis 32 m Länge, je nach der Bedeutung der Haltestelle, angelegt wurde. Jeder Bahnsteig dient also ebenso, wie das Gleis, an dem er liegt, nur für eine Fahrrichtung. Jeder Bahnsteig ist durch eine Treppe von dem nächsten Bürgersteig der Straße aus zugänglich gemacht. Die Breite der Treppen beträgt 1∙90 bis 2∙50 m, je nach der Bedeutung der Haltestelle und dem Raum, der zur Verfügung stand. Die Treppenstufen sind 15 cm hoch und 32 cm breit. Es ergeben sich bei den verschiedenen Haltestellen 19 bis 24 Stufen zwischen Bahn- und Bürgersteig. Die Wände der Haltestellen sind mit weißen Majolikaplatten verkleidet und mit braunen Einfassungen versehen worden. Die Treppenhäuschen der Haltestellen »Giselaplatz« und »Oktogon« sind besonders reich in Pyrogranit mehrfarbig ausgeführt, die übrigen Treppenhäuschen sind einfacher, in Eisenfachwerk mit Verkachelungen errichtet worden. Nur die beiden Treppenöffnungen der Haltestelle »Oper« wurden nicht überbaut, sondern mit Balustraden aus Kalkstein eingefaßt. Abb. 106 zeigt einen Querschnitt durch die Haltestelle »Weitzner-Boulevard«. Die in den Straßen liegenden Kanäle, Gas- und Wasserleitungsrohre wurden, soweit sie mit der B. unvereinbar waren, umgebaut oder umgelegt. Auf dem größten Teil der Bahn längs der Andrássystraße fanden derartige Umbauten überhaupt nicht statt, da hier jede Straßenseite einen gesonderten Straßenkanal und besondere Leitungen für Gas und Wasser besitzt. Dagegen wird der Fahrdamm der Andrássystraße von dem Hauptkanal der Ringstraße und von vielen Gas- und Wasserleitungsrohren gekreuzt. Der Hauptkanal der Ringstraße liegt so tief, daß die B., allerdings mit beschränkter Konstruktionshöhe, über ihn hinweggeführt werden konnte. Die Gas- und Wasserleitungsrohre[131] wurden bis zu 150 mm Lichtweite mittels besonderer Kastenträger in die Decke des Tunnels eingelegt, während größere Rohrleitungen in begehbare Kanäle unter die Tunnelsohle verlegt und durch Einsteigschächte zu beiden Seiten des Tunnels zugänglich gemacht worden sind.

Der Oberbau der B. hat die Spurweite von 1∙435 m und besteht aus Breitfußschienen mit versetzten Stegen und Verblattstoß auf eisernen Querschwellen. Die Befestigung der Schienen auf den eisernen Querschwellen erfolgt unter Anwendung der Haarmannschen Hakenplatte mit je einer Schraube. Die Schiene ist 115 mm hoch und wiegt 24∙2 kg/m. Eine Querschwelle wiegt 34∙24 kg. Mit diesem Oberbau wird ein nahezu stoßfreies Fahren erreicht. Der kleinste Krümmungshalbmesser beträgt 40 m und die größte Steigung 18‰.

Die Maschinenanlage zum Betrieb der B. wurde auf einem Grundstück in der Akaziengasse im Anschlusse an die bestehende Maschinenanlage der Budapester elektrischen Stadtbahn, die den Betrieb der B. führt, hergestellt. Der Dampf wird von vier Wasserrohrkesseln von je 267 m2 Heizfläche erzeugt. Im Maschinenhause sind zwei Verbunddampfmaschinen mit Kondensation aufgestellt. Jede Dampfmaschine treibt eine Innenpoldynamomaschine an. Die Dynamomaschine leistet bei 300 Volt Spannung dauernd 1100 Ampere. Der Schornstein der Stromerzeugungsanlage hat eine Lichtweite von 3∙0 m und eine Höhe von 50 m. Das Kühlwasser liefert ein Brunnen von 3∙0 m Lichtweite und 11 m Tiefe.

Von dem Schaltbrett der Stromerzeugungsanlage führen mit Eisenband armierte Bleikabel, die in die Straßen eingebettet sind, nach der nächstgelegenen Haltestelle »Oktogon« der B., u. zw. je ein besonderes Kabelpaar für den Betrieb der Wagen, für die Beleuchtung der Haltestellen und die Lichtblocksicherungsanlage, sowie für den Fernsprechverkehr. Es sind durchweg, also auch für die Arbeitsleitungen, längs der Gleise isolierte Hin- und Rückleitungen angewendet worden, um in der Stromerzeugungsanlage die Maschinen zum Betrieb der B. und die Maschinen zum Betrieb der Stadtbahnlinien, die unterirdische Stromzuführung mit zwei isolierten Leitungen besitzen, parallel schalten zu können. Die Schienen der Bahn werden nicht zur Rückleitung benützt.

Jedes Gleis der B. wird mit einem besonderen Kabelpaar von 500 mm2 Kupferquerschnitt gespeist. Das für die Beleuchtungs- und Lichtblockanlage verlegte Kabelpaar hat 150 mm2 Kupferquerschnitt.

Sämtliche Leitungen längs der B. sind im Tunnel an der Decke und auf der anschließenden offenen Strecke an von Säulen getragenen Querdrähten aufgehängt. Als Arbeitsleitungen für die Stromabnahme dienen im Tunnel 50 mm hohe Grubenbahnschienen mit einem Gewicht von 5 kg/m und längs der offenen Strecke 10 mm starke Eisendrahtleitungen. Die Speiseleitungen längs der B., die die Fortsetzung der Kabelleitungen bilden, sind als blanke Kupferseile an der Tunneldecke aufgehängt worden.

Die Beleuchtung der Haltestellen erfolgt mit 100voltigen Glühlampen, die zu je 3 hintereinander geschaltet werden. Die Wagen dürfen laut behördlicher Vorschrift in keiner kleineren Entfernung, als der Abstand der Haltestellen beträgt, einander folgen. Um dieser Vorschrift entsprechen zu können, ist eine selbsttätig wirkende Lichtblockanlage vorhanden, die sich im Betriebe sehr bewährt hat (vgl. Art. Blockeinrichtungen, Bd. II, S. 410).

Im Falle einer Störung in der Lichtblockanlage muß der Fernsprecher zur Signalisierung der Wagen benützt werden. Jede Haltestelle ist daher mit einer Fernsprecheinrichtung ausgerüstet, und kann man von jeder Haltestelle aus unter Vermittlung der Fernsprechzentrale in der Stromerzeugungsanlage mit jeder beliebigen anderen Haltestelle der B. sprechen. Außerdem können die Endhaltestellen unmittelbar, d.h. ohne Vermittlung der Zentrale, mit dem Betriebsbahnhofe in der Arenastraße sprechen.

Die Wagen der B. sind als Drehgestellwagen ausgebildet. In jedem Drehgestell ist ein Elektromotor eingebaut, der eine Achse antreibt. Die Entfernung der Drehzapfen beträgt 8∙0 m, und die Länge zwischen den Puffern 11 m. Die Breite des Wagens beträgt 2∙35 m. Jeder Wagen hat 28 Sitzplätze und 14 Stehplätze. An den Wagenenden sind kleine Abteile für den Wagenführer und die Schaltvorrichtungen vorgesehen. Im ganzen sind 20 Motorwagen vorhanden. Es können gleichzeitig 15 Wagen als Einzelwagen verkehren, die dann einen Betrieb mit einer Wagenfolge von 2 Minuten ergeben. Von den 20 Wagen sind 10 Stück mit zweipoligen Motoren und Doppelkettenantrieb und 10 Stück mit vierpoligen Motoren ausgerüstet, die um die Vorderachse der Drehgestelle gebaut sind und ohne Übersetzung arbeiten.

Die Fahrkartenausgabe ist die bei Stadtbahnen übliche. Auf jedem Bahnsteig ist ein Bahnsteigwärter angestellt, der die Ausgabe und Abnahme der Fahrkarten zu besorgen hat.[132]

Jeder Wagen wird außer von dem Wagenführer noch von einem Schaffner begleitet. Auf den Endhaltestellen sind Wagenordner angestellt, die den Wagenverkehr überwachen und regeln.

Die Betriebsergebnisse der Franz-Josef-elektrischen Untergrundbahn für die Jahre 1896, 1900 und 1905 bis 1911 gehen aus der nachstehenden Tabelle hervor.

Das für den Bau und die Betriebseinrichtung der Franz-Josef-elektrischen Untergrundbahn erforderliche Kapital wurde in der Konzessionsurkunde auf K 7,200.000 festgesetzt, aus welchem Kapital K 420.000 für die Beschaffung von Wagen und K 200.000 zur Bildung eines Reservefonds verwendet werden mußten. Die tatsächlichen Baukosten haben 7,123.663 K betragen.


Betriebsergebnisse der Franz-Josef-elektrischen Untergrundbahn in Budapest für die Jahre 1896 bis 1911.


Budapester Untergrundbahn

Wie aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, wurde mit dem bewilligten Kapital auch das Auslangen gefunden, obwohl während des Baues erhebliche Mehrleistungen gegenüber dem ursprünglichen Kostenvoranschlage gefordert wurden, insbesondere eine bedeutende Vergrößerung und reichere Ausstattung der Haltestellen.

Die B. wurde für Rechnung der Budapester elektrischen Stadtbahn-Aktiengesellschaft und der Budapester Straßeneisenbahn-Gesellschaft nach dem Entwurf von Siemens & Halske durch diese Firma ausgeführt. Die Baukosten wurden von den beiden genannten Gesellschaften zu gleichen Teilen gedeckt. Die Aktien der neugebildeten Franz-Josef-elektrischen Untergrundbahn-Aktiengesellschaftbefinden sich je zur Hälfte im Besitz der beiden Gesellschaften. Die Konzessionsdauer beträgt 90 Jahre vom Tage der Inbetriebsetzung an gerechnet. Im Jahre 1940, bei dem Erlöschen der Konzession der Stadtbahn, hat die Hauptstadt Budapest das Recht, die B. gegen vorherige zweijährige Kündigung einzulösen.

Der höchste Fahrpreis für die ersten 15 Jahre der Konzessionsdauer wurde mit 20 Heller für eine Person festgesetzt. Nach dem 15. Jahre hat die Stadtgemeinde das Recht, den Fahrpreis herabzusetzen. Der Fahrpreis wurde jedoch schon am 1. Juli 1899 in der Weise aus freien Stücken geändert, daß zwei Zonen: Giselaplatz-Oktogon und Oktogen-Artesisches Bad geschaffen wurden und der Fahrpreis für eine Zone mit 12 h festgestellt wurde, während der Fahrpreis für die ganze Linie 20 h beträgt.

Durch die gesetzgebenden Körper wurde der B. die Stempel-, Steuer- und Gebührenfreiheit auf die Dauer von 15 Jahren gewährt. Die in Ungarn eingeführte Fahrkartensteuer wurde in eine mäßige Pauschalabgabe umgewandelt. Die Stadtgemeinde erhält mit Beginn des 21. Jahres vom Tage der Inbetriebsetzung der Bahn jährlich eine Abgabe von der Bruttoeinnahme, u. zw. während der dem 20. Jahre folgenden ersten 10 Jahre 1%, während der zweiten 10 Jahre 2%, während der dritten 10 Jahre 3%, während der vierten 10 Jahre 4% und während der fünften 10 Jahre und darüber hinaus bis zum Schluß der Konzession 5%. Während der ersten 25 Jahre der Konzessionsdauer kann keine andere Straßenbahnlinie von der inneren Stadt nach dem Stadtwäldchen bewilligt werden.


Wörner.

Abb. 103.
Abb. 103.
Abb. 104.
Abb. 104.
Abb. 105.
Abb. 105.
Abb. 106. Haltestelle »Weitzner-Boulevard«
Abb. 106. Haltestelle »Weitzner-Boulevard«
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 129-133.
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129 | 130 | 131 | 132 | 133
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