8. Ode

[42] An Seine Hochwürden den Herrn Abt Mosheim, Bey dem höchstschmerzlichen Verlust seiner Liebsten.


So froh ich mit bemühter Hand

Vor kurzer Zeit Dich nur gepriesen,

Als ich Dir, ob gleich unbekannt

Der Freundschaft Trieb zu erst gewiesen;

So traurig heißt hingegen mich

Der unverhoffte Riß, der Dich

Entseelt, nach meiner Feder blicken;

Die Dir aus Beyleid und aus Pflicht

Itzt, da es dir an Trost gebricht,

Ein mattes Trauerlied will schicken.


Dein Blat, das uns, gebeugtes Haupt

Des Schicksals harten Schluß entdecket,

Der Dir dein halbes Herz geraubt,

Hat unsre ganze Zunft erschrecket.

Dein liebstes auf der Welt entflieht;

O Schlag, der Dich zur Erden zieht,

Und Dir die Seele muß erschüttern!

Nichts ist, das Dich dem Schmerz entreißt;

Auch ein gesetzter Helden Geist

Bebt bey dergleichen Ungewittern.
[43]

Ach, möchte meiner Seiten Thon

So zärtlich in die Ohren schallen;

Als die dich liebte, die man schon

Aus deinem Schooß und Arm sieht fallen!

Ich weis, du hörtest mir mit Ruh

Und ganz gelaßner Seele zu.

Du dürftst sodann wohl gar gedenken,

Als wollte sich dein Ehgemahl

Zu dir von dem gestirnten Saal

Mit Trost und süssem Zuspruch lencken.


Verlaßner Abt! wie öde muß

Es nun in deinen Mauren sehen!

Da bey so sanftem Ehekuß

Die Trennung gar früh geschehen!

Es ist, als säh ich dich vor mir

Bin ich gleich weit entfernt von dir,

Entkräftet und ganz trostlos sitzen;

Dein Aug ist nicht nur thränenreich,

Das Herze scheint mit ihm zugleich

Dergleichen herbes Salz zu schwitzen.


Die Einsamkeit und Finsterniß

Entwirft nunmehr bey solchen Raube

Durch dich den allzugleichen Riß

Von der entpaarten Turteltaube.

So bald, was sie geliebt, erblaßt,

Ergreifet sie vor Gram den Ast;

Vergräbt sich in der Büsche Schatten.

Sie girrt, sie heult, sie seufzt und klagt,

Vom Abend, bis es wieder tagt,

Um den geliebten Ehegatten.
[44]

Und recht. Dies will die Billigkeit

Von dir, betrübter Mosheim haben;

Dein Schmerz und deine Traurigkeit

Läßt sich zugleich nicht mit begraben.

Der erste Bürger unsrer Welt

Fühlt nichts, weil ihn der Schlaf befällt,

Da ihm die Ribbe wird genommen;

Dir aber muß es schmerzhaft seyn,

Indem dergleichen Raub und Pein

Im Wachen über dich gekommen.


Erweg in deiner Einsamkeit,

Was für Verlust dein Haus erlitten;

Erwege die Vortrefflichkeit,

Die Anmuth ihrer schönen Sitten;

Gedenk an ihrer Tugend Strahl,

Und wie du dich bey deiner Wahl

Vor tausenden beglückt konntst nennen;

Indem du bey der – – –

So viele Tugendbilder hast

Nur an zwo Lippen küssen können.


Hier ist an keinen Stillestand

Der bangen Seufzer zu gedenken;

Wie muß nicht nach zerrißnem Band

Dich vollends dies, mein Mosheim kränken?

Da die entflohne deinen Kuß

So gar betrübt bezahlen muß,

Der sie von deiner Seiten risse.

Du weist ja, daß die Lagerstatt,

Die nächst Dein Haus vermehret hat,

Zum Sarg die Pfosten reichen liesse.
[45]

Verwegner Reim! wo irrst du hin?

Hör auf, durch allzu weites Schweifen

Den so schon halb betäubten Sinn

Mit Gram und Kummer anzuhäufen.

Vielmehr zieh von der liebsten Grab

Den hochbetrübten Wittwer ab.

Ein Geist, der uns mit Trost verbinden,

Und sich auch selbst bemeistern kan,

Läßt, griff man ihn auch härter an,

Sich doch gesetzt, und standhaft finden.


Dies mindert unser aller Schmerz:

Er weint, und weis auch aufzuhören.

Flieht sie von ihm, so wird sein Herz

Sich fassen, und sie doch verehren.

Ich weis, du sparst dich unsrer Welt,

Die dich so hoch, mein Mosheim hält,

Auch wegen deiner netten Schriften.

Ergreif die Feder fernerweit,

Die Deutschland auch bey später Zeit,

Und dir wird Ruhm und Ehre stiften.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 42-46.
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