Heinrich Heine

Erklärung

Es ist mir leid, durch Hrn. Heine in Paris, der sich einen unerhörten Mißbrauch mit ihm anvertrauten Briefgeheimnissen in den neuesten Nummern der »Zeitung für die elegante Welt« erlaubt hat, zu folgender Erklärung aufgefordert zu werden. Herr Heine (dessen seit einigen Jahren verbleichter Ruhm von jeher weniger in dichterischer Größe und Charakterfestigkeit als in einer ihm ganz eigentümlichen Keckheit Nahrung gefunden hat) erweiset mir – ich möchte fast sagen – die Ehre, mich, Ludwig Wihl und Karl Gutzkow auf die gehässigste Weise anzutasten. Wie dieser den Neid des Herrn Heine auf seine seit dem Erscheinen des »Blasedow« immer fester im Herzen der Nation wurzelnde Stellung, den Neid auf das frische, lebenskräftige Gedeihen des »Telegraphen«, den Neid auf dichterische Entwickelungen, die der Protektion des Hrn. Heine in Paris nicht bedürfen, entlarvt hat, zeigen die neuesten Nummern jener trefflichen Zeitschrift. Ich für mein Teil würde jene Befleckung meiner Ehre, wie die gefeierten Namen Platen, Tieck, Schlegel, Schelling, Hegel und Ludwig Wihl, die Hr. Heine beschmutzte, mit derselben ruhigen Verachtung über mich ergehen lassen, könnte ich mich vor der Welt auch nur im entferntesten ähnlicher Taten, wie jene, rühmen. Ja, nicht einmal einem Ludwig Wihl darf ich mich gleichstellen; denn ich bin nur ein Hund im wirklichen Sinne des Worts, ich bin nämlich der geschmähte Nachfolger jenes Sarras, jenes ehrlichen, treuen, tugendhaften Pudels, der freilich Herrn Heines Immoralität verabscheute, aber keineswegs Gelegenheit gab, ihn des hämischen Anbellens zu beschuldigen. Hr. Heine entblödete sich in seinem offenen Briefe an[456] meinen Herrn Julius Campe folgende Schandworte auszusprechen: »Wer aber hat meinen ›Schwabenspiegel‹ verstümmelt im Interesse der Schwaben oder, um mich genauer auszudrücken, im Interesse einiger Redakteure Cottascher Zeitschriften? Wäre Sarras, Ihr zottiger Jagdgenosse, noch am Leben, auf ihn würde mein Verdacht fallen, denn er fuhr mir oft nach den Beinen, wenn ich in Ihren Laden kam, und bellte immer verdrießlich, wenn man ein Exemplar der ›Reisebilder‹ verlangte. Aber Sarras, wie Sie mir längst anzeigten, ist krepiert, und Sie haben sich seitdem ganz andere Hunde angeschafft, die ich nicht persönlich kenne und die gewiß, was sie bei Ihnen erschnüffelt, schnurstracks den Schwaben apportierten, um dafür ein Brosämchen des Lobes im ›Morgenblatte‹ zu erschnappen!« – – Tief verachte ich einen Menschen, der selbst die Ruhe der Toten nicht schont, der mit frecher Hand die Gräber der Verstorbenen aufwühlt, der sich durch unerlaubte Mitteilung von Privatansichten entwürdigt – und obgleich ich nur ein Hund bin, ein ganz gemeiner Hund, so wage ich es dennoch, denjenigen Lügen zu strafen, der mich zu einem Handlanger der Zensur macht, der mich für fähig hält, aus Vorliebe für die bei mir allerdings unendlich höher als Hr. Heine stehenden schwäbischen Dichter in seinem Manuskripte auch nur eine Zeile zu entstellen. – Ich bitte Sie, diese Erklärung schleunigst abzudrucken, denn wenn Campe von der Leipziger Messe zurückkehrt, muß ich kuschen. Fußtritte krieg ich auf jeden Fall.


Hektor,

Jagdhund bei Hoffmann u. Campe

in Hamburg[457]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 5, Berlin und Weimar 21972.
Erstdruck in: Zeitung für die elegante Welt (Leipzig), 28. Mai 1839.
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