[1921] -Ern, eine Endsylbe verschiedener Zeit- und Nennwörter.
I. Die Zeitwörter, welche sich auf -ern endigen, sind wiederum von gedoppelter Art.
1. Einige kommen von Nennwörtern her, welche sich auf ein er endigen, und werden vermittelst der in ein n verkürzten Endsylbe en in ein Verbum verwandelt; ackern für ackeren von Acker. Sie bedeuten ein Seyn oder Versetzen in denjenigen Zustand, den das Nennwort bezeichnet, oft auch nur einen Gebrauch, eine Anwendung der durch das Nennwort ausgedruckten Sache, zuweilen aber auch einen andern Umstand; S. -En. Diese Zeitwörter werden,
1) Großen Theils aus Hauptwörtern gebildet, und zwar, (a) aus ihrem Singular. Ausädern, ankern, buttern, dauern, donnern, eifern, eitern, federn, fiedern, feuern, feyern, fingern, foltern, füttern, geifern, hadern, halftern, hämmern, heuern, keltern, kerkern, klaftern, klammern, kleistern, kollern, lagern, lästern, leyern, martern, mauern, meistern, mustern, opfern, panzern, pfeffern, pflastern, plündern, polstern, pudern, pülvern, rudern, schauern, schaudern, schiefern, schimmern, schläudern, schleyern, versilbern, sömmern, splittern, steuern, gittern, verketzern, beschwägern, trauern, wundern, fächern, wintern, wittern, wuchern, zaubern, ziffern, zimmern, zuckern, wässern u.s.f. von Ader, Anker, Butter u.s.f. Die Hauptwörter, von welchen diese Zeitwörter herkommen, sind vermittelst der Endsylbe er wieder aus andern Wörtern gebildet; S. -Er. (b) Einige Verba sind dagegen aus dem Plural des Nennwortes gebildet, welches doch nur bey solchen Wörtern Statt findet, welche in der Mehrheit ein er annehmen. Bildern, Bilder aufsuchen, blättern, in Blätter zerfallen, in Blätter zerlegen, bebändern, mit Bändern zieren, begliedern, mit Gliedern versehen, zergliedern, die Glieder einzeln absondern, begütern, mit Gütern versehen, im Oberdeutschen begüten, durchlöchern, mit Löchern versehen u.s.f.
2) Viele sind aber auch, vermittelst eben dieser Endung en, welche auch hier ihr e wegwirft, aus Beywörtern entstanden; und zwar, (a) aus deren ersten Staffel, wenn sich selbige auf er endiget. Ändern, anders machen, äußern, säuern, das niedrige albern, sich albern (Oberd. alber,) stellen, aufmuntern, ermuntern, hindern, fordern und fördern, betheuern, läutern, erobern, aufheitern, erheitern, säubern, schwängern, sichern, erbittern, verfinstern, vertheuern, u.s.f. (b) Andere erkennen den Comparativ[1921] für ihr Stammwort. Erleichtern, vergrößern, verkleinern, bereichern, erneuern, erweitern, lindern, mildern, mindern, nähern, verfeinern, verschönern, verringern, verschlimmern, verbessern, schmälern, vergewissern, verlängern u.s.f. leichter, größer, kleiner, reicher, neuer, weiter u.s.f. machen. Hieher gehören auch einige wenige, welche aus Vor- und Nebenwörtern gebildet worden; erübern für erübrigen, erwiedern. Doch alle diese Zeitwörter gehören eigentlich nicht hierher, sondern zu den Endsylben en und n. Wohl aber,
2. Diejenigen Verba, wo vermittelst der Sylbe eren und zusammen gezogen ern, neue Zeitwörter, so wohl aus Nennwörtern, als auch aus andern Zeitwörtern gebildet werden. Diese Verba sind,
1) Factitiva, und bedeuten alsdann ein Versetzen in denjenigen Zustand, welchen das Neutrum, aus welchem sie gebildet werden, andeutet. Fasern, in Fäden zerlegen, von dem Neutro fasen; räuchern von rauchen; stänkern, stinken machen; einschläfern, schlafen machen; erörtern, zu Ende bringen, von dem veralteten orten, sich endigen; erinnern, von dem veralteten innen, gewahr werden; folgern, folgen machen; steigern, dem Werthe nach steigen machen; aufstäubern, aufstöbern, aufstöpern, stauben, oder in Gestalt des Staubes aufsteigen machen, und andere mehr.
2) Imitativa, eine Nachahmung derjenigen Sache zu bezeichnen, welche das Stammwort ausdruckt. Die Zeitwörter dieser Art kommen von Nennwörtern her, und sind größten Theils niedrig. Männern, sich wie ein Mann bezeigen; kindern, kindisch thun; kälbern, sich wie ein Kalb geberden.
3) Frequentativa und Continuativa, die mehrmahlige Wiederhohlung oder Fortsetzung einer Handlung auszudrucken, welche aus Zeitwörtern gebildet werden. Zögern, zäckern, von ziehen, flistern, flackern, flattern, seigern und siekern von seihen, ablockern, abluckern von locken, schlenkern, schelsern, schlaudern, schlottern, bebern und bobern von beben, blinkern von blinken, klettern von dem veralteten kletten, lauern von lauen, lugen, sehen, poltern, wandern, erschüttern, maustern von mausen, schlummern von dem veralteten schlummen, klempern, klimpern, plaudern, plappern, stolpern, räuspern, schnattern, beschnuppern von beschnauben, stammern, im gemeinen Leben für stammeln, stochern, walgern, weigern, zittern, zwitschern, das Oberdeutsche raitern, reitern, sieben, von reden, raiten, lodern, und viele andere mehr, besonders in den gemeinen Mundarten, welche einen großen Reichthum von dergleichen Zeitwörtern besitzen. Viele derselben sind zugleich onomatopöitika und ahmen den Schall nach, der dadurch ausgedruckt werden soll.
4) In einigen scheinet diese Endung bloß die Versetzung oder das Gerathen in denjenigen Zustand zu bedeuten, welchen das Stammwort bezeichnet. Äschern, in Asche verwandeln, oder mit Asche bestreuen, liefern, geliefern, gerinnen, zu Lab werden, altern, alt werden, dämmern, und vielleicht noch andere mehr. Erweislicher sind,
5) Die Desiderativa, welche eine Neigung, ein Verlangen nach dem Zustande des Stammwortes ausdrucken. Die Zeitwörter dieser Art werden am häufigsten als Impersonalia gebraucht. Es schläfert mich, es hungert mich, es lüstert, gelüstert ihn. Die niedrigen und gemeinen Mundarten haben eine Menge solcher Zeitwörter, einen natürlichen Trieb, oder sinnliche Neigung zu einer Sache auszudrucken; z.B. es kotzert mich, es lächert mich, ich möchte lachen, es essert, fressert, niesert mich u.s.f. Einige werden auch persönlich gebraucht; die Kuh rindert, verlanget nach dem Ochsen, das Mädchen männert, verlanget nach dem Manne, der Mensch weibert u.s.f. Von[1922] andern sind auch Nebenwörter auf -erlich üblich; lächerlich, weinerlich, es ist mit esserlich, nieserlich u.s.f. Doch alle diese Wörter, lächerlich ausgenommen, gehören in die niedrigste Sprechart. Die Desiderativa der Lateiner auf rio kommen mit diesen Zeitwörtern überein.
In allen diesen Verbis ist ern aus eren mit Wegwerfung des letzten e entstanden. Einige harte Mundarten behalten dieses letzte e und werfen dafür das erste weg; dauren, mauren, versichren, erinnren, erneuren u.s.f. Allein man darf nur ein mittelmäßiges Gehör haben, diesen harten Übelklang zu empfinden. S. auch -En. Was die Bedeutung dieser Sylbe betrifft, denn ein leerer Ton ist sie doch gewiß nicht, so läßt sich selbige nur muthmaßen. Vielleicht gehöret sie zu dem alten Worte ar, arn, welches sich fast in allen Europäischen Sprachen findet, und überhaupt ein Thun, Verrichten, oft aber auch ein Seyn und Werden bedeutet. Selbst die Endung an den Desiderativis leidet diese Ableitung, weil das Angels. eorn, welches gern bedeutet, gleichfalls zu dieser Familie gehöret. S. Ernst, Arbeit, Ernte.
II. Die Beywörter, welche sich auf ern endigen, bedeuten insgesammt eine Materie, aus welcher eine Sache bestehet. Diejenigen Beywörter gehören nicht hierher, welche vermittelst der Endsylbe en oder n aus den Hauptwörtern auf er gemacht werden, wie kupfern, ledern, silbern, eisern, von dem alten Iser, Eisen, ehern, von dem alten Er, Eher, Erz, u.s.f. S. -En; sondern nur diejenigen, welche sich auf ein ern endigen, ungeachtet ihre Stammwörter kein er am Ende haben. Dergleichen sind, gläsern, hölzern, beinern, drähtern, stählern, zinnern, thönern, ströhern, bleyern, steinern, fleischern, knöchern, wächsern u.s.f. Bey der Endung -En ist bereits angemerket worden, daß diese Endung den Ober- und Niedersachsen vorzüglich eigen ist, und daß die Oberdeutschen die meisten Beywörten dieser Art auf -en oder -in machen. Frisch ging gar so weit, daß er alle diese Beywörter verwarf, und der Oberdeutschen Form den Vorzug gab. Allein wenn dieß in allen ähnlichen Fällen gelten sollte, so müßten die Hochdeutschen ihre ganze Mundart nach der Oberdeutschen umbilden. Ob man gleich nicht sagen kann, woher das r in diese Endung gekommen, so ist sie doch alt, und findet sich bey dem Ottfried und andern Fränkischen Schriftstellern sehr häufig. Man könnte auf die Gedanken gerathen, daß in solchen Beywörtern der Plural des Hauptwortes zum Grunde liege, indem einige Hauptwörter, von welchen Beywörter auf ern gemacht werden, im Plural er haben, wie Glas, Holz. Allein, viele haben im Plural kein er, die meisten haben gewöhnlich gar keinen Plural, würden ihn auch, wenn sie ihn haben könnten, nicht auf -er machen. Von einigen andern, z.B. albern, lüstern, nüchtern, schüchtern, S. diese Wörter selbst.
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