[850] -Ung, eine sowohl in der Deutschen, als den damit verwandten Sprachen, sehr alte Ableitungssylbe, welche an verschiedene Wörter gesetzet wird, Hauptwörter daraus zu bilden. Diese Wörter sind,
1. Nennwörter, und zwar, (1) Beywörter, deren Anzahl doch die kleinste ist, wo ung theils eine Gegend zu bezeichnen scheinet, wie in Freyung, von frey, eine befreyete Gegend, theils einen Zustand, wie Theurung, von theuer, theils ein Ding, ein Individuum, wie Quittung, von quitt. Indessen können auch diese und die ihnen ähnlichen Wörter dieser Art von den Zeitwörtern freyen, theuren, quitten u.s.f. abstammen. (2) Hauptwörter, und hier bezeichnet sie. (a) Eine Gegend, einen Raum. Waldung, eine mit Wald bewachsene Gegend; Holzung, eine mit Holz bewachsene Gegend; Hutung, ein zur Hut bestimmter Raum; Feldung, eine aus Feldern bestehende Gegend; Stallung, ein mit Ställen bebaueter Ort; die Markung, eine zur Mark oder Flur gehörige Gegend; das bergmännische Losung, ein leerer Raum, S. 1. Losung. (b) Ein Ding, Individuum, von welchem die erste Hälfte der Zusammensetzung gesagt wird; Hornung, Mastung, was Mast gibt; die Mündung, wenn dieses nicht von einem veralteten Zeitworte münden abstammet; das Oberdeutsche Mehrung, ein Canal, welches aber auch die Ableitung von einem Zeitworte mehren leidet, u.s.f.
2. Zeitwörter, und zwar deren Infinitiv, Abstracta daraus zu bilden, d.i. eine Handlung und den darin gegründeten Zustand zu bezeichnen. Der Wörter dieser Art ist eine große Menge, indessen lassen sich doch nicht von allen Zeitwörtern solche Hauptwörter auf ung bilden. Die Abkürzung, Änderung, Anfechtung, Anführung, Bändigung, Befestigung, Befreyung, Begnadigung, Bekräftigung, Belohnung, Bemäntelung, Bestellung, Bestrafung, Entschuldigung, Erziehung, Eroberung, Handlung, Krönung, Prüfung, Salbung, Warnung u.s.f. von abkürzen, ändern, anfechten, anführen, bändigen u.s.f. Es wird in solchen Fällen nur die eigenthümliche Sylbe des Infinitivs en oder n weggeworfen, und dafür ung angehänget. Einige wenige haben noch einige andere Veränderungen erlitten; wie Nahrung von nähren, oder vielmehr von einem veralteten Zeitworte nahren, Handlung für Handelung, Löhnung von lohnen. Der Sprung gehöret nicht hierher, zumahl da es, wider die Natur aller dieser Wörter, männlichen Geschlechtes ist.
Die nächste und eigentliche Bedeutung dieser von Zeitwörtern gebildeten Hauptwörter ist die Handlung des Zeitwortes, als ein Individuum zu bezeichnen. Es scheinet aber, daß diese Bedeutung wiederum eine Figur der Bedeutung eines Dinges, eines Individui ist, welche noch in vielen Wörtern dieser Art die herrschende ist.[850]
Anm. Alle diese mit ung zusammen gesetzte Wörter sind weiblichen Geschlechtes; denn der Sprung gehöret, wie schon bemerket worden, nicht hierher. Diese Ableitungssylbe ung ist mit der Sylbe ing sehr nahe verwandt, und allem Ansehen nach von derselben nur in der Mundart verschieden. Daher werden -ing und -ung noch jetzt in einigen Mundarten häufig verwechselt. Was die Böttcher in einigen Gegenden die Kimmung nennen, heißt in andern die Kimming. Die Nahrung heißt im Dänischen Näring. Doch findet sich in den Ableitungen von Zeitwörtern die Form ing nur selten, am häufigsten ung, dagegen Nennwörter eben so oft ing, als ung an sich nehmen. Siehe -Ing, ingleichen -Ich und -Ig, welche Ableitungssylben gleichfalls mit dieser verwandt zu seyn scheinen, indem der Naselaut oft nur ein bloßer müßiger Begleiter der Gaumenlaute ist.