Ablassen

[63] Ablassen, verb. irreg. S. Lassen, welches in seinen meisten Bedeutungen elliptisch ist, und ein anderes ausgelassenes Zeitwort voraus setzet. Es ist aber

I. Ein Activum, und bedeutet alsdann überhaupt, einen Körper seiner natürlichen Bewegung überlassen. Besonders, 1) was zurück gehalten war, seiner Schnellkraft überlassen. Den gespannten Bogen ablassen. Ein Schloß ablassen, dessen Feder abgehen lassen, im gemeinen Leben, es abschnappen. Ein Schiff ablassen, es vom Stapel laufen lassen. Einen Teich, einen Fluß ablassen, das Wasser in demselben abfließen lassen. Ein Faß Wein, (den Wein im Fasse,) ablassen, abzapfen. Den Ofen ablassen, in den Schmelzhütten, das flüssige Metall aus demselben abfließen lassen, welches auch abstechen genannt wird. 2) Jemanden[63] eine Sache ablassen, abtreten, sie ihm überlassen. 3) Abschicken, absenden. Einen Brief, ein Schreiben an jemanden ablassen, erlassen. Er hat versprochen, einige Zeilen an mich abzulassen. 4) Etwas am Preise ablassen, nachlassen, eine Verminderung des geforderten Preises bewilligen. Ich kann von den zehn Thalern nichts ablassen. 5) Die Sohlen ablassen, bey den Schustern, bedeutet so viel, als sie am Rande abhängig schneiden, dünner machen, welches vermittelst eines gegen die Spitze des Messers gehaltenen Hornes geschiehet, welches daher das Ablaßhorn genannt wird.

II. Ein Neutrum, welches das Hülfswort haben zu sich nimmt, aufhören etwas zu thun, Gemeinschaft damit zu haben, darnach zu streben, eine Sache nicht weiter fortsetzen; doch nur mit einem Substantive und der Präposition von. Von der Arbeit ablassen. Vom Bösen ablassen. Von einem Vorsatze, von einem Prozesse ablassen. Von einer Person ablassen, die Liebe zu ihr fahren lassen. Sind sie denn nicht selbst Schuld, daß er von ihr ablässet? Gell. Von einem ablassen, so wohl ihm seine Hülfe versagen, als auch aufhören, ihn zu strafen, kommt in Luthers Bibelübersetzung zwar oft, außerdem aber fast gar nicht mehr vor. Eben so unangenehm klingen im Hochdeutschen die Oberdeutschen R.A. ablassen zu zürnen, zu weinen, zu bauen u.s.f. für aufhören. Überhaupt fängt es in dieser ganzen neutralen Bedeutung an zu veralten, und wird daher nur noch am häufigsten im gemeinen Leben und in der biblischen Schreibart gebraucht. Daher die Ablassung in allen obigen Bedeutungen, besonders des Activi.

Anm. Ablassen, war in der vierten thätigen Bedeutung ehedem von weiterm Umfange, wie man aus einigen Beyspielen beym Haltaus h. v. sehen kann. Und von dieser Bedeutung kommt vermuthlich auch das Hauptwort Ablaß in der kirchlichen Bedeutung her.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 63-64.
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