Abnehmen

[75] Abnêhmen, veb. irreg. S. Nehmen, welches auf zweyerley Art üblich ist.

I. Als ein Activum, wo es überhaupt den Begriff des Herabnehmens und der Absonderung ausdruckt, so daß nehmen als ein allgemeines Zeitwort verschiedene besondere Arten des Nehmens begreift, und zwar

1. In eigentlicher Bedeutung. (a) Von einem höhern Orte, oder von der Oberfläche eines Dinges herab nehmen. Den Hut abnehmen, ihn von dem Kopfe ziehen. Die Früchte abnehmen, sie von dem Baume brechen oder pflücken. Abnehmen, im Kartenspiele, die obern Karten abheben. (b) Von einer Person oder Sache nehmen, mit verschiedenen Nebenbedeutungen. Den Gefangenen das Gewehr abnehmen, es sie ablegen lassen. Einem ein Buch, Hut und Stock abnehmen, aus seiner Hand nehmen. Einem eine Last, eine Bürde abnehmen, in eigentlicher, noch mehr aber in uneigentlicher Bedeutung. Den Rahm abnehmen, von der Milch, ingleichen metonymisch, die Milch abnehmen, den Rahm von der Milch abschöpfen. (c) Vermittelst des Messers, der Scheere, der Säge oder ähnlicher Werkzeuge wegnehmen, in der anständigern Schreib- und Sprechart. Einem ein Glied abnehmen, abschneiden. Sich die Haare, den Bart abnehmen, abscheren lassen. Den Schafen die Wolle abnehmen. Noch etwas abnehmen, abschneiden, abhauen, absägen u.s.f. (d) Im Stricken bedeutet abnehmen, die Maschen vermindern, damit ein Strumpf enger werde, welches vermittelst des Abstrickens zweyer Maschen auf einmal geschiehet. In Niedersachsen abkanteln, mindern.

2. Figürlich. (a) Ein Kalb abnehmen, in der Landwirthschaft, es von der Kuh trennen, und dadurch entwöhnen; auch abbinden. (b) Abkaufen. Einem eine Waare abnehmen. (c) Von einer Sache befreyen, derselben entledigen. Einem eine Last, eine Bürde abnehmen, in figürlicher Bedeutung. Bedauerst du mich, daß der Tod mir diese Bürde abnimmt? Dusch. So auch, einem ein Amt abnehmen. (d) Ablegen lassen. Einem einen Eid, eine Rechnung abnehmen. Das Gedinge abnehmen, im Bergbaue, die verdingte Arbeit besichtigen. (e) Mit List oder Gewalt einer Sache berauben. Dem Feinde den Raub abnehmen. Einem sein Geld abnehmen, im Spiele abgewinnen. (f) Aus etwas erkennen, urtheilen. Die Sache, woraus man es erkennet, bekommt an oft auch aus. Es läßt sich diese leicht daraus oder daran abnehmen, schließen. So viel ich abnehmen kann. Ich konnte es leicht an deinem Gesichte abnehmen. Die Stunde eines Ganges abnehmen, im Bergbaue, dessen Streichen nach dem Compasse wahrnehmen, messen.


Kommt nehmet ab an mir, ob jemahls euer Herz,

Empfunden solche Pein,

Opitz.


Im Oberdeutschen entnehmen.

II. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben zu sich nimmt, bedeutet es so wohl an körperlicher Größe, als auch an Dauer, an Kräften und innerer Güte nach und nach vermindert werden. (a) An körperlicher oder doch scheinbarer Größe. Der Mond nimmt ab. Das Abnehmen des Mondes. Im abnehmendem Monde, wofür man im Osnabrückischen im Wannen sagt. Der Mond ist im Abnehmen. (b) An Anzahl und Menge.[75] Die Soldaten nehmen ab, es werden ihrer immer weniger. Die Heiligen haben abgenommen. Das Geld nimmt ab. (c) An Leibesgestalt und Kräften. Er hat sehr abgenommen, ist mager geworden. Er nimmt zusehends ab. Am Leibe, an Kräften abnehmen. (b) An Vermögen und Ansehen. Dieses Haus hat gar sehr abgenommen. Diese Geschlecht kommt, geräth ins Abnehmen, ist in Abnehmen gerathen. (e) An Dauer. Die Tage nehmen ab. Die Nächte haben abgenommen. (f) An innerer Stärke. Die Hitze, die Kälte nimmt ab. Mein Gesicht, Gedächtniß hat gar sehr abgenommen. Die Krankheit nahm ab. Die Luft zum Studiren wird bey ihm bald abnehmen.

Anm. Abnehmen, beym Notker abanemen, hatte in der thätigen Gattung, ehedem noch verschiedene andere Bedeutungen, die man bey dem Haltaus h. v. finden kann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 75-76.
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