Abscheiden

[89] Abscheiden, verb. irreg. (S. Scheiden,) welches auf doppelte Art üblich ist.

1. Als ein Activum, von andern Dingen scheiden. a) In der Chymie, Körper, die mit einander vermischt sind, von einander sondern. Gold von dem Silber abscheiden, wo aber das einfache scheiden üblicher ist. In den Hüttenwerken nennet man besonders das Scheiden des Goldes von dem Silber vermittelst des Scheidewassers, abscheiden. b) In den Rechten an einigen Orten, Kindern ihren Antheil an der künftigen Erbschaft geben, und sie dadurch von allen künftigen Ansprüchen ausschließen, welches an einigen Orten auch absondern, abtheilen, abschichten, und ablegen genannt wird. Abgeschiedene Kinder. c) * Den Abschied geben, verabschieden, welche Bedeutung aber veraltet ist, und unter andern nur unter Luthers Übersetzung der Bibel vorkommt, wo man Matth. 5, 32. Kap. 19, 9. Luc. 16, 18. das Partic. Pass. eine Abgescheidete findet. S. Scheiden. d) Von der Verbindung mit andern Menschen absondern, in welcher Bedeutung doch nur das Particip. abgeschieden üblich ist. Ein abgeschiedenes Leben führen, ein einsames. In den Klöstern sollte man von der Welt abgeschieden seyn, abgesondert. S. auch Abgeschiedenheit.

2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, sich von einem Orte entfernen, aber jetzt nur noch als ein gemilderter Ausdruck des Sterbens. Aus dieser Welt, oder von der Welt abscheiden. Er ist bereits abgeschieden, d.i. verstorben; wofür man auch verscheiden saget. Ich habe Lust abzuscheiden und bey Christo zu seyn, Phil. 1, 27. Die abgeschiedenen Seelen, die Seelen der Verstorbenen.

So auch die Abscheidung in der thätigen Bedeutung, das Abscheiden, besonders in der neutralen, und der Abschied in beyden.

Anm. Abscheiden für abreisen, Goth. afskaida, war ehedem sehr gebräuchlich.


[89] Die Kunigin im ein vrlaub gab,

Mit solchem da schid der pot ab,

Theuerd.


Unfalo vom Heldan abschid,

ebend.


Und in Oberdeutschland kommt diese Bedeutung noch vor. S. Abschied.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 89-90.
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