Abtragen

[124] Abtragen, verb. irreg. act. S. Tragen.

1. Herab tragen, doch nur (a) in metonymischer Bedeutung, durch Tragen niedriger machen, nach und nach einreißen. Ein Gebäude, einen Berg, eine Mauer, einen Wall, ein Dach abtragen. Poch- und Kunsträder, eine Radstube abtragen, in den Bergwerken. (b) In figürlicher Bedeutung bey den Feldmessern, einen Riß abtragen, oder auf das Feld abtragen, denselben[124] nach dem wahren Maße auf das Feld übertragen, nach einer Zeichnung auf dem Papiere eine ähnliche Figur auf dem Felde machen. Ingleichen gewisse Maße von dem Maßstabe mit dem Zirkel abnehmen und auf das Papier tragen.

2. Wegtragen, und zwar, a) in eigentlicher Bedeutung. Die Speisen abtragen, von dem Tische, und nach einer gewöhnlichen Metonymie auch, den Tisch abtragen. Das Getreide von der Tenne abtragen. Einen Leithund abtragen, bey den Jägern, ihn, wenn man ihn abrichtet, von der Fährte tragen, damit er sie wieder finden lerne. b) Figürlich, für bezahlen. Seine Schuld abtragen. Zoll, Steuern und Gaben abtragen. Die Zinsen auf den bestimmten Tag abtragen. Hierher gehöret, c) auch die veraltete Bedeutung des Ersetzens, oder Vergütens, wovon Haltaus Beyspiele anführet, und wofür man jetzt lieber sagt, Abtrag thun. Wachter glaubt, daß mit dieser gerichtlichen Bedeutung auf die ehemalige Strafe der Ehebrecher angespielet werde, welche in einigen nördlichen Gegenden einen Stein tragen mußten. Allein wenn man sich erinnert, daß in den ältesten Zeiten alle Bezahlung, folglich auch der gerichtliche Ersatz mit Feldfrüchten oder Viehe geschahe, so wird man den Begriff des Abtragens in der eigentlichen Bedeutung hier wahrscheinlich finden, als eine so gezwungene Anspielung.

3. Durch langes Tragen abnützen. Ein Kleid abtragen. Ein abgetragener Hut. Ein Paar Schuhe trägt sich bald ab. Ingleichen, sich abtragen, sich durch vieles Tragen, d.i. lange Fruchtbarkeit entkräften, von Fruchtbäumen.

4. Durch Tragen zur Vollkommenheit bringen. So heißt bey den Jägern, einen Falken abtragen, ihn so lange tragen, bis er zahm und abgerichtet wird.

Daher die Abtragung in allen obigen Bedeutungen. In der Schweiz bedeutet es auch so viel als eintragen, und da ist denn auch Abtrag für den Ertrag üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 124-125.
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