Acht (2), die

[150] 2. Die Acht, ein Substantiv, welches nur im Singular, und zwar größten Theils ohne Artikel, auch nur mit den Verbis haben, nehmen, geben, lassen und fallen üblich ist. Es bedeutet,

1. Wahrnehmung mit Bewußtseyn. Etwas an einem in Acht nehmen gewahr werden. Ohne, daß es jemand in Acht nahm, bemerkte. Das würde auch Blinder in acht nehmen, sehen.


[150] Ich hatt es nicht in Acht genommen,

Haged.


Diese Bedeutung fängt an, selten zu werden, und wird nur noch zuweilen im gesellschaftlichen Umgange gehöret.

2. Aufmerksamkeit, sorgfältige Beobachtung. Auf etwas Acht haben oder geben. Gib genau Acht. Nehmt meine Worte wohl in Acht, merkt genau darauf. Ein jeder habe Acht auf mich. Ich habe es aus der Acht oder außer Acht gelassen, ich habe nicht darauf gemerket, nicht mehr daran gedacht, und im gemeinen Leben auch wohl, es ist mir aus der Acht gefallen, ich habe es wieder vergessen.

3. Sorgfalt, Anwendung der Aufmerksamkeit, so wohl ein Gut zu bewahren, als ein Übel zu vermeiden. Eine Sache in Acht nehmen, sie sorgfältig vor Schaden bewahren. Nimm das Deine wohl in Acht, suche es zu erhalten. Er nimmt seine Gesundheit außerordentlich in Acht. Er nimmt sich gar nicht in Acht, ist in seinem Betragen sehr unvorsichtig; ingleichen, hegt nicht die gehörige Sorgfalt für seine Gesundheit. Sich vor einem in Acht nehmen, sich vor ihm hüthen, alle Verbindung mit ihm zu vermeiden suchen, ingleichen, sich vor allem Schaden von seiner Seite zu bewahren suchen. Nimm dich in Acht, daß du ihm nicht zu nahe kommst, hüthe dich. Man hat sich wohl mit ihm in Acht zu nehmen, Less. man muß in dem Umgange mit ihm beständig auf seiner Huth seyn.

Anm. 1. In der Ableitung dieses Wortes und des dazu gehörigen Verbi achten, sind die Wortforscher verschiedener Meinung. Wachters Einfall, der das neue Holländische Wort achter, nach, als das Stammwort ansiehet, ist wohl der unwahrscheinlichste unter allen. Frisch fällt auf das Griechische αγαν, und behauptet, daß der Begriff des Verfolgens, des Treibens, der Hauptbegriff sey, der in dem Worte Acht, proscriptio, noch der herrschende sey, und durch eine gewöhnliche Figur auf die Verfolgung mit den Kräften des Geistes angewendet worden. Ihre findet viele Ähnlichkeit mit dem Griechischen ƞγσομαι, ich denke, und nach ihm ist denken die erste und eigentliche Bedeutung dieses Zeitwortes. Alle kommen darin überein, daß Acht von dem Verbo achten herkomme. Mir ist es wahrscheinlicher, daß dieses von jenem abstamme. Acht aber kann füglich von einem Verbo herkommen, welches ehedem sehen bedeutet, und zu Auge gehöret hat; S. dieses und Achten. Daß das t in achten nicht wesentlich ist, und daß Acht auch mit einem u nach dem A gefunden wird, erhellet aus dem Frisch. Die Bildung hat auch nichts Ungewöhnliches, denn die Gothen machten aus auchjan, ahjan, sehen, in einer andern Bedeutung Auhode, so daß das t der Ableitungslaut -de, oder auch -t seyn kann, welcher gebraucht wurde, Abstracta aus Verbis zu bilden; wie Sicht, Flucht, Sucht u.s.f. von sehen, fliehen, siechen. Der Begriff des Sehens würde also der Stammbegriff in diesem Worte seyn.

2. Dieses Substantiv war ehedem mit dem Artikel nicht so selten, als heut zu Tage.


Ni nemen in thia ahta

Manno scalk slahta,


singt Ottfried B. 3. K. 3 V. 31. Und in Stryckers Rhythm. kommt die ahte für Beobachtung, Aufmerksamkeit vor.


Sie suln mih finden in der acht,


sie sollen mich auf der Huth finden, bey der Winsbeckinn. Hieraus erhellet zugleich, daß diejenigen irren, welche es für ein Adverbium halten, und daher mit einem kleinen a schreiben. Es ist vielmehr ein wahres Substantiv, welches aber auf dem Wege ist, völlig abzusterben, daher sein Gebrauch jetzt nur noch so eingeschränkt ist. In allen drey Bedeutungen wurde es ehedem sehr häufig mit der zweyten Endung verbunden.


[151] So nam sy (die wilde Sau) ires Jägers acht,

Und lief an in mit solcher macht,

Theuerd. Kap. 61.


Habt doch des Erden Kreises acht,

Wie er ihn wüst und öde macht,

Opitz.


Seiner Wirtschaft, der Nahrung Acht haben, kommen bey eben demselben vor. In Oberdeutschland ist diese Wortfügung noch jetzt gebräuchlich, aber die Hochdeutschen haben sie veralten lassen. Verschiedene jetzt nicht mehr übliche Bedeutungen dieses Wortes haben Wachter, Frisch und Haltaus gesammelt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 150-152.
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