Ahn, der

[185] Der Ahn, des -en, plur. die -en. 1) * Der Großvater; eine im Hochdeutschen veraltete, im Oberdeutschen aber noch völlig gangbare Bedeutung, wo es in Österreich und Baiern Än, Ändel und Andel, am Rheinstrome Anichen und Annichen, lautet. In eben diesen Gegenden heißt die Großmutter die Ahn, und die Ahnfrau. In Oberschwaben heißt der Großvater Ehni, die Großmutter aber Ahna, der Ältervater der Urahn, Urahni, in andern Gegenden Aberahn, Alterenn, und die Großmutter Urahna. In Baiern ist Ähnl der Großvater, Ahnl die Großmutter, und Guckahnl die Urgroßmutter. Was der Ahn zusammen scharrt, heiß es in dem alten Liede: Wohl dem der um den armen Mann. 2) Überhaupt einer von den Vorältern, welche über die Großältern hinauf steigen.


Hast munter dich geübet

Zu zieren deinen Stand mit etwas, das kein Ahn,

Kein Schild noch offner Helm den Menschen geben kann,

Opitz.


Des Ahnen Aberwitz wird auch des Enkels seyn,

Hall.


wo es aber zunächst den Großvater zu bezeichnen scheint. Oder nennt ihr diese Vortheile etwas das der Fleiß eures Ahnen verdiente? Dusch.


Sein Ur-Ur – Ur-Ur – Älterahn

War älter noch als unser aller Ahn,

Less.


Aller dieser Beyspiele ungeachtet, ist es doch in dieser Bedeutung im Hochdeutschen im Plural am üblichsten, Vorältern, collective ohne Unterschied des Geschlechtes zu bezeichnen, besonders adelige Vorältern. Von adeligen Ahnen entsprossen. Seine acht Ahnen beweisen, beweisen, daß man ehelicher Weise von acht adeligen Vorältern, so wohl von väterlicher als mütterlicher Seite, also auf beyden Seiten von sechzehn adeligen Personen abstamme und also ein achtschildiger Edelmann sey.

Anm. Das Wort ist alt, aber zunächst im Oberdeutschen einheimisch. Schon in den Florent. Glossen ist Ano, avus, Ana, avia, und Altirano, proavus. Bey dem Ottfried sind ira anon, ihre Ahnen, und Altano, einer der Vorältern. In dem Sachsenspiegel wird dieses Wort in allem Ernste von Anus, der Hintere, hergeleitet. Wachter läßt es von der Partikel an, Frisch aber von dem Lat. Avus abstammen; das erste ist zu künstlich, das letztere aber zu unwahrscheinlich. Vermuthlich ist das Angels. eanian, gebären, das Stammwort, und im Türkischen bedeutet Ana wirklich die Mutter. Wahrscheinlich ist auch das Lat. Anus, eine alte Frau, damit verwandt, und in einigen Oberdeutschen Gegenden ist eine Ahne noch jetzt eine alte Frau.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 185.
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