Alraun, der

[226] Der Alraun, des -es, plur. die -e. 1) Eine Pflanze mit einer glockenförmigen Krone, und einer kugelrunden Beere, welche mit zwey Fächern versehen ist, ohne Plural; Atropa Mandragora, L. im Deutschen auch Wolfskirche, Schlafapfel, Hintschapfel. Diese Pflanze, welche in Spanien, Italien und der Insel Creta wild wächset, war wegen ihrer medicinischen Kräfte schon bey den ältesten Völkern bekannt, und der Aberglaube dichtete ihr noch weit mehr Kräfte an, als sie wirklich hatte. Damahls ging Ruben zur Zeit der Weitzenernte aus, und fand Alraun auf dem Felde; den brachte er Lea, seiner Mutter, 1. Mos. 30, 14. f. nach des Herrn Hofr. Michaelis Übersetzung. 2) Die zu einem Hausgeiste zubereitete Wurzel der vorhin beschriebenen Pflanze; wo es auch wohl im Diminutivo gebraucht wird, das Alraunchen. Diese Wurzel ist weiß, dick, unten gespaltet, wie zwey über einander geschränkte Menschenbeine, und mit dünnen Zäserchen, wie mit Haaren bedeckt; welches alles ihr einiger Maßen die Gestalt einer menschlichen Bildung gibt. Man pflegt diese Wurzel unter allerley abergläubigen Umständen zu graben, anzukleiden, und als einen heilsamen Hausgeist der Leichtgläubigkeit sehr theuer zu verkaufen. Ein solcher Hausgeist wird noch jetzt an einigen Orten Galgenmännchen, weil die Wurzel unter dem Galgen wachsen soll, Heinzelmännchen, Glücksmännchen, Erdmännchen, Geldmännchen, weil er Geld bringt, Hexenmännchen, und in Niedersachsen Alruniken genannt. Weil die wahre Alraunwurzel in Deutschland selten ist, so wird auch wohl die Wurzel der Zaunrübe, Bryonia, L. die in der äußern Gestalt einige Ähnlichkeit mit jener hat, für dieselbe verkauft.

Anm. Schon bey den alten Gothen hieß eine Art Zauberinnen oder weiser Weiber Alirumnae, welches für das heutige Alrunae gehalten wird, und da auch Tacitus einer ähnlichen Aurinia bey den alten Deutschen gedenkt, so wollen viele auch dafür Alruna gelesen wissen. Dem sey wie ihm wolle, so ist das Wort schon sehr alt, und wird am wahrscheinlichsten von all und dem alten runa, wissen, (S. Raunen,) abgeleitet, eine Person zu bezeichnen, welche alles weiß, eine weise Frau. Da man mit der Wurzel der Pflanze schon sehr frühe Aberglauben getrieben, so läßt sich die Übertragung des Nahmens von einer weisen Frau auf einen vermeinten Geist und dessen Pflanze leicht begreifen. S. Keyßlers Antiquit. septentr. Wachter v. Alraun, und Ihre v. Runa. Wenn dieses Wort von einer weiblichen Person gebraucht wurde, so war es vermuthlich weiblichen Geschlechtes, die Alraune. Aber in der Bedeutung der Pflanze und ihrer Wurzel ist es unstreitig männlichen Geschlechts, ob gleich Frisch und andere die Pflanze weiblich, die Wurzel aber männlich gebrauchen, und dadurch auch mich in der ersten Ausgabe dieses Wörterbuches zu gleichem Irrthume verleitet haben.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 226.
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