Alt

[233] Alt, älter, älteste, adj. et adv. welches in verschiedenem Verstande gebraucht wird.

1. Die zurückgelegte Dauer einer Sache überhaupt zu bestimmen, in welchem Sinne es im Positivo nur als ein Adverbium üblich ist. Wie alt ist er? Er ist sechzig Jahr alt. Das Kind ist noch nicht acht Tage alt. Ich bin so alt als du. Er macht sich älter als er ist. Wer ist der älteste unter uns? Der Brief ist schon vier Wochen alt. Wenn das Alter eines Menschen deutlich bestimmt wird, so kann alt im gemeinen Leben auch weggelassen werden. Sie ist noch nicht achtzehn Jahr. Allein es in diesem Falle als ein Adjectiv zu gebrauchen, z.B. ein sechs Wochen altes Kind, für ein Kind, das sechs Wochen alt ist, ist wider der guten Sprachgebrauch.

2. Die lange Dauer einer Sache anzudeuten, und zwar,

1) In Rücksicht auf die bloße Länge der Dauer. Eine alte Eiche. Alte Thaler. Altes Geld. Alte Bücher. Von den ältesten Zeiten her. Besonders von der Lebenszeit eines lebendigen Geschöpfes, und unter diesen am häufigsten von dem Menschen. Ein alter Mann. Eine alte Frau. Alte Leute. Er ist schon alt. Sprichw. Jung gewohnt, alt gethan, was man sich in der Jugend angewöhnet, läßt sich im reifern Alter ohne Beschwerde verrichten. Keiner ist zu alt, etwas zu lernen. In der gesellschaftlichen Sprache ist der Ausdruck alte Tage auch in einigen Fällen für das Alter üblich. Wollen sie mir auf meine alten Tage, oder in meinen alten Tagen nicht noch eine Freude machen? Was mich angetrieben hat, in meinen alten Tagen die Feder zu ergreifen. In den Bergwerken bedeutet der alte Mann figürlich ein ehedem gebauetes, aber wieder verfallenes, oder zugestürztes Feld, daher in den alten Mann, so viel ist, als ein verschüttetes Grubengebäude wieder aufräumen. Uralt,[233] steinalt, sind im gemeinen Leben übliche Ausdrücke, ein hohes Alter anzudeuten.

Ein Alter, eine Alte, wird in dieser Bedeutung, besonders in der vertraulichen Sprechart, auch substantive gebraucht, von einer alten Person. Alter, nimm dich in Acht! Wie froh wird der fromme Alte nicht seyn, wenn er ihren Entschluß hören wird! Gell. An einigen Orten, besonders in Niedersachsen, wird eine Hebamme die Alte genannt, weil dazu nur allein alte Personen genommen zu werden pflegen.

2) In Rücksicht auf etwas das jünger ist, an Statt des Comparatives älter. So werden diejenigen Handwerke alte Handwerke genannt, welche in einem Orte oder Lande eher zünftig geworden sind, als andere. Alte Gewerken, in dem Bergbaue, sind diejenigen, welche eine Zeche zuerst zu bauen angefangen haben. So auch, die vier alten Grafen des Reiches, wofür ehedem die Grafen von Schwarzburg, Cleve, Savoyen und Zilley gehalten wurden, in Gegensatze der jüngern Reichsgrafen. Die alten Lateiner, im Gegensatze der neuern oder spätern. So auch im gemeinen Leben. So ein kleiner Naseweis muß nicht darein reden, wenn alte Leute mit einander schwatzen, Weiße. Ingleichen substantive, die Alten, für die Ältern, in Beziehung auf die Kinder. Sie freueten sich über der Alten Rückkunft. Mein Alter wird bald zu Hause kommen. Sieben junge Hühner mir der Alten, mit der Henne. Sprichw. Wie die Alten sungen, so zwitscherten die Jungen.

3) In Rücksicht auf verschiedene durch die lange Dauer in den Dingen hervor gebrachte Veränderungen. (a) Durch das Alter entkräftet, unscheinbar, runzelig, besonders von Menschen. Er wird vor der Zeit alt. Die vielen Widerwärtigkeit haben ihn alt gemacht. (b) Durch das Alter abgenutzt, unbrauchbar geworden. Alte Kleider. Ein altes Haus. (c) Durch Alter unschmackhaft, verderbt. Alte Butter. Altes Fleisch. (d) Durch eine lange Dauer bewährt, geübt. Ein alter Freund. Es ist eine alte ehrliche Haut, im gemeinen Leben. Alte Liebe rostet nicht. Ein alter Soldat, nicht so wohl wegen der Lebenszeit, als vielmehr wegen der langen Übung der Waffen. Das sind alte verständige Leute, die werden ihnen keinen Schaden thun. So auch ein alter Fuchs, ein alter Schalk, ein alter Sünder. (e) Durch lange Dauer eingewurzelt. Ein alter Haß. Eine alte Krankheit. Ein altes Vorurtheil. Ein alter Aberglaube. (f) Wegen längerer Dauer bekannt. Das ist etwas Altes. Das sind alte bekannte Sachen.

3. Das ehemalige Daseyn einer Sache auszudrucken, und zwar,

1) Für vormahlig, vorig, schlechthin. Er hat seine alte Würde wieder erlangt. Die Stadt hat ihre alte Freyheit behalten. Wie fürchte ich mich, diesen angenehmen Traum zu verlieren, und wieder in meinem alten Jammer zu erwachen! Less. Die Sache gehet noch immer ihren alten Gang. Wir wollen es bey dem Alten bewenden lassen. Wir sind gute Freunde, und es bleibt bey dem Alten.

2) Was seine Dauer bereits geendiget hat, oder ehedem da gewesen ist. Das alte Testament. Alte Zeiten. Die alte Geschichte, die Geschichte der längst verflossenen Zeiten. So auch substantive, besonders im Plural. Die Alten, d.i. Menschen, die lange vor uns gelebt haben. Wer sich trägt, wie die Alten gingen, der ist bey ihr ehrbar und sittsam, Gell.


‒ Der Schatz, den die guten Alten

Aus Einfalt beygelegt,

Cron.


Wenn von den Alten in den Werken des Geistes in Rede ist, so werden dadurch besonders die Griechen und Römer bezeichnet.[234] Man muß die Alten weder knechtisch, noch mit Verachtung, sondern mit der gehörigen Beurtheilung lesen.

3) Was wegen seiner geendigkeit Dauer aus dem Gebrauche gekommen ist, veraltet. Alte Wörter. Alte Moden. Der alte Kalender.

Anm. 1. Von Alten der Es. 25, 1. für, von Alters her, ist ungewöhnlich. Der im gemeinen Leben übliche Ausdruck, Jung und Alt, wird am häufigsten adverbisch, ohne alle Abänderung gebraucht.


Dir unterwirft sich Jung und Alt,

Haged.


Und Jung und Alt erschienen,

Gell.


Mit jung und alt, 2. Mos. 10, 9. Jos. 6, 21. Obgleich Luther solchen in andern Stellen decliniret hat. Alte mit den Jungen sollen loben den Nahmen des Herrn, Ps. 148, 12. Ich will die Alten und Jungen zerschmeißen, Jer. 51, 22.

Anm. 2. Wachter leitet dieses Wort von dem ehemahligen alen, wachsen, her, da es denn mit dem Lat. oleo und adultus, dem Griech.αλδαινω, ich wachse, viele Ähnlichkeit haben würde. Auch das Lat. olim scheint seiner ersten Sylbe nach zu der Verwandtschaft zu gehören. Die Ungarische und Lappländische Sprache geben uns vielleicht eine noch nähere Abstammung an. Elam bedeutet im Lappländ. und Elem, Elen, im Ungarischen, ich lebe, Aeled oder Elet, im Lappländischen die Lebenszeit und im Ungarischen das Leben. S. Sajnovics Demonstrat. idioma Ungaror. et Lappon. idem esse, S. 35. Alt würde also ursprünglich eigentlich gelebt, und das alte Hauptwort Älte (S. Alter) die Lebenszeit bedeuten. Indessen ist unter Wort in der Form, worin wir es jetzt haben, schon sehr alt, nur daß die Gothen und die damit verwandten Mundarten das o dem a vorziehen; Goth. old, Engl. old, Dän old, Holl. oud, Nieders. old, Angels. eald, bey den Alemannen und Franken alt und ald. Die Niedersachsen werfen in der Verlängerung des Wortes das d heraus, de Ollen, für die Alten, und bringen dadurch das Griech. εωλος, alt, zugleich mit in Erinnerung.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 233-235.
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