[286] Anfahren, verb. irreg. (S. Fahren,) welches in gedoppelter Gattung üblich ist.
I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn. 1) Den Anfang machen zu fahren, besonders in der Sprache der Bergleute, an seine Arbeit gehen, und zwar so wohl an die Grubenarbeit, als auch an die Hüttenarbeit. S. Fahren. Die Bergleute fahren an, sind angefahren. Daher der Anfahrschacht, des -es, plur. die -schächte, ein Schacht, durch welchen die Grubenarbeiter anfahren, oder sich an ihre Arbeit begeben; ingleichen das Anfahrgeld, des -es, plur. inusit. dasjenige Geld, welches der neue Häuer dem Geschwornen und Steiger derjenigen Zechen, bey welchen er angenommen wurde, ehedem geben mußte, und auch Häuergeld genannt wird. 2) Sich fahrend einem Orte nähern, hinan fahren. Man kann nicht nahe an das Haus anfahren. Die Flotte fuhr an die Insel an, ist an die Stadt angefahren. Wir sind unter Weges bey unserm Freunde angefahren, auf kurze Zeit ausgestiegen. 3) Im Fahren an etwas anstoßen. Der Fuhrmann ist mit dem Wagen an die Mauer angefahren. 4) Heran fahren, doch nur mit dem Verbo kommen und im gemeinen Leben.
Die Baronessinn Quant mit schönen blonden Haaren
Kam von dem Rittergut mit sechsen angefahren,
Zach.
[286] 5) In weiterer Bedeutung, von heftiger Gewalt getrieben, an etwas anstoßen. Die Axt fuhr an die Wand an. Der Ball ist an das Fenster angefahren.
II. Als ein Activum. 1) Vermittelst eines Fuhrwerkes, herbey oder heran führen. Holz, Steine, Schutt anfahren. 2) Figürlich, plötzlich mit harten Worten begegnen. Er fuhr mich heftig an.
Ein frommer Greis
Ward jüngst von ihm sehr höhnisch angefahren,
Haged.
Anm. In dieser letzten Bedeutung kommt anafaron schon bey dem Ottfried vor. Anfahren, für übel ankommen, angeführet werden, ist zwar im Oberdeutschen, aber nicht im Hochdeutschen üblich. Das Substantiv die Anfahrung kann nur in der ersten Bedeutung des Activi gebraucht werden. In den Bedeutungen des Neutrius, besonders in der ersten, kommt zuweilen das Hauptwort die Anfahrt vor. S. auch Anfurt.