[325] Ankommen, verb. irreg. neutr. (S. Kommen,) welches mit dem Hülfsworte seyn verbunden wird.
1. An etwas kommen, d.i. einer Person oder Sache nahe kommen, sich derselben nähern, da es denn entweder mit der vierten Endung des Nennwortes oder mit der Präposition auf verbunden wird. Und zwar,
1) In eigentlicher Bedeutung, welche aber im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird, außer, daß man zuweilen im gemeinen Leben sagt, laß ihn nur ankommen, oder, er soll nur ankommen. Ingleichen, ich kann ihn nicht ankommen, ich kann ihm nicht beykommen, kann ihm nichts anhaben. Ferner, auf einen ankommen, sich ihm nähern, auf ihn zukommen. Ehedem war es so wohl in der eigentlichsten, als auch in weiterer Bedeutung, besonders in Oberdeutschland, weit häufiger; indem es in der letztern unter andern auch begegnen, antreffen, ingleichen anfallen, bedeutete.
Ich jag noch
Als gern als all mein Lebtag,
Wo ich sy (die Gemsen) nur ankhomen mag,
Theuerd. Kap. 55.
wo ich sie nur antreffe. Auf gleiche Art heißt es 2. Maccab. 10, 17. Sie erwürgeten alles, was sie ankamen. In der Bedeutung des feindlichen Anfalles aber kommt es mit dem Accusative mehrmahls bey den Schwäbischen Dichtern vor. Hieraus fließen nun,
2) Folgende figürliche Bedeutungen.
(a) Von etwas befallen werden. Es kommt mich ein Frost an. Der Schlaf kam ihn an. Die Wehen kamen sie an. Besonders von Begierden und andern Gemüthsbewegungen. Es kommt mich eine Furcht an. Es ist ihn eine Lust, ein Verlagen angekommen. Wenn dich einmahl die Reue ankommen wird. Es wird dich Angst ankommen, Jerem. 13, 21. Da kam mich Furcht und Zittern an, Hiob 4, 14. Doch kommt mich bald die Lust zu schreiben wieder an, Opitz. Zittern und Entsetzen möchte einen ehrlichen Kerl ankommen, Less.
Der Wohlstand kömmt mich an, jetzt will ich zärtlich heißen,
Günth.
Wenn die Wollust uns verläßt, dann kömmt uns die Andacht an,
Logau.
Wenn es ihn ankommt, wenn es ihm einfällt. Was kommt ihn an? was fällt ihm ein?
In vielen, ja den meisten der jetzt angeführten Fälle, wird ankommen im Hochdeutschen gemeiniglich mit der dritten Endung verbunden, und selbst viele Sprachlehrer scheinen es für gleichgültig zu halten, was für eine Endung man demselben in dieser Bedeutung zugesellet; dagegen im Oberdeutschen der Accusativ am gewöhnlichsten ist. Die Schwierigkeit beruhet auf der eigentlichen[325] Bedeutung des an in dieser Zusammensetzung. Wäre es ausgemacht, daß es hier für in oder ein stände, so würde der Dativ vielleicht die richtige Endung seyn. Druckt an aber hier die Bewegung nach einem Orte aus, so läßt sich nur die vierte Endung vertheidigen, zumahl da diese noch die Analogie von einen angehen, einen anlaufen, einen anfallen, einen antreten u.s.f. für sich hat. Hierzu kommt noch der Gebrauch älterer Schriftsteller, der deutlich genug für diese vierte Endung ist. Notker sagt: Forhta cham sie ana, ingleichen, der tod chome die ana u.s.f. Man darf auch das zusammen gesetzte ankommen nur auflösen, wenn man von der Nothwendigkeit des Accusatives überzeugt werden will; denn hier sagt jedermann: ich kann nicht an ihn kommen.
(b) Empfunden werden, doch nur in Rücksicht auf diejenige Empfindung, welche bey Überwindung der Hindernisse Statt hat, und mit den Adverbiis leicht, schwer, sauer, hart. Es kommt mir schwer an, dieses zu lassen. Das wird dir sehr leicht ankommen. Und es kam sie hart an über der Geburt, 1. Mos. 35, 17. Das kommt mir sauer an, Gell. Die Verstellung kommt mir weit beschwerlicher an, als wenn ich sage, wie mirs ums Herze ist, ebend. Hier ist der Dativ im Hochdeutschen fast allgemein; vermuthlich weil der Begriff der Annäherung hier unmerklicher wird.
(c) Das wirklich werden einer Sache erwarten, doch nur mit auf und mit dem Verbo lassen. Er lässet es allemahl auf das Äußerste ankommen. Ich mag es auf seinen Ausspruch nicht ankommen lassen. Ein Thor lässet alles auf das Glück ankommen. Die kriegenden Parteyen wollen es auf ein Treffen ankommen lassen.
(d) Den Grund von etwas enthalten, der Gegenstand eines Geschäftes seyn, in welcher Bedeutung ankommen meisten Theils zu einem unpersönlichen Zeitworte wird, und bey derjenigen Sache, die den Grund oder Gegenstand ausmacht, das Vorwort auf erfordert. (α) Den Grund enthalten. Es kommt hier bloß auf das Glück an. Auf dich allein kommt es an. Kommt es auf mich an, ob ich lieben will oder nicht? Weiße. Auf die Wahl in der Liebe kommt das ganze Glück in der Ehe an, Gell. Die Liebe können sie mir verbiethen, aber die Hochachtung kommt nicht auf meinen Willen, sondern auf ihre Verdienste an, ebend. Elender, deine Befreyung, deine Ruhe kommt auf dich allein an! Dusch. (β) Der Gegenstand seyn, betreffen. Es kommt auf Leib und Leben an. Es kommt bey dem ganzen Streite bloß auf zwanzig Thaler an. (γ) Ein nothwendiger Gegenstand seyn, nöthig seyn, erfordert werden. Es kommt auf einen Versuch an. Hier kommt es bloß aufs Geld an. Es kommt nur noch auf einen Tag an, so wird sichs ausweisen. Wenn es auf die Verschwiegenheit ankommt, da nehme ich es mit einem jeden auf. (δ) Ein wichtiger Gegenstand seyn, für wichtig gehalten werden, mit dem Dative der Person. Auf die Erhaltung dieser Festung kommt sehr vieles an. Es kommt mir darauf nicht an, ich achte solches nicht. Es kommt ihm auf ein Paar hundert Thaler niemahls an. Wir haben so wenig klare Begriffe in dieser Welt, daß es uns auf etwas mehr oder weniger Unwissenheit nicht ankommen darf. Es muß ihnen auf einen Tag nicht ankommen, Less. Es kommt den vornehmen Herren nicht darauf an, ihre Weiber sitzen zu lassen, und sich mit andern zu schleppen, Weiße.
2. Auf der Reise an oder in einem Orte gegenwärtig werden, und zwar,
1) Eigentlich, da dieses Verbum theils absolute stehet, theils die Vorwörter, an, in, zu und bey erfordert. Zu Pferde, zu Fuße, zu Schiffe ankommen. Die Post ist angekommen. Ich[326] bin eher angekommen, als ich dachte. Wir sind noch vor Tage angekommen. Er ist glücklich, gesund angekommen. An einem Orte ankommen. Die Schiffe sind in Holland angekommen. Er ist zu Berlin, zu Leipzig, in Paris, in Madrit angekommen. Sie ist bey mir, bey ihren Ältern, bey ihren Freunden noch nicht angekommen. Die Waaren sind längst angekommen.
2) In figürlicher Bedeutung.
(a) Eingang mit etwas finden. Bey mir kommt er nicht an, richtet er nichts aus, erreicht er seinen Endzweck nicht. Ich habe ihm schon gesagt, daß er bey mir unrecht ankommt, Weiße.
(b) Befördert werden. Er ist bey Hofe, oder an dem Hofe angekommen. Er ist wohl, schlecht, hoch angekommen.
Wer gar zu bider ist, bleibt zwar ein redlich Mann,
Bleibt aber wo er ist, kommt selten höher an,
Logau.
Ingleichen, von der Beförderung durch Heirathen. Sie ist sehr wohl, vortrefflich angekommen, verheirathet worden. Er ist sehr schlecht angekommen.
(c) In Rücksicht auf den Empfang, aufgenommen werden. Ich würde damit schlimm angekommen seyn. Da kam er übel an. Wer das denkt, der kommt blind bey mir an. Ich könnte ankommen, (d.i. übel ankommen,) wenn ich so geradezu liefe. Ich wäre schön angekommen, wenn er mir gefolgt wäre, Weiße. Geh nur, du wirst mit der guten Zeitung bey ihm ankommen, (d.i. schlecht ankommen,) ebend.
Anm. In den meisten der bisher angeführten figürlichen Bedeutungen, besonders aber den letzten, ist dieses Verbum nur in der vertraulichen und gesellschaftlichen Sprechart üblich. Unter den theils veralteten, theils nur in einigen Provinzen üblichen Bedeutungen desselben, verdienen folgende angemerket zu werden. 1. Für anfangen, wovon Frisch ein Beyspiel aus dem Pictorius anführet. 2. Für begegnen, antreffen, deren schon oben gedacht worden. S. auch Haltaus h. v. 3. Für anfallen, feindlich angreifen, wovon bey den Schwäbischen Dichtern Beyspiele vorkommen. 4. Für anfallen, zufallen, besonders von Erbschaftssachen, mit der vierten Endung der Person, wovon bey dem Haltaus h. v. Beyspiele angeführet werden. 5. Für angehen, betreffen, welche Bedeutung ehedem in Niedersachsen üblich war. 6. Für anfahren, mit Worten, wovon in dem Bremisch- Niedersächsischen Wörterb. Theil 2. S. 725 Beyspiele zu finden sind. 7. Für heran wachsen, welche Bedeutung in Niedersachsen noch üblich ist. 8. Für anbrüchig werden, angehen, in welcher Bedeutung dieses Zeitwort vornehmlich um Hamburg gehöret wird.
Buchempfehlung
Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro