Anschlagen

[357] Anschlagen, verb. irreg. (S. Schlagen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist.

[357] I. Als ein Activum, da es nach den verschiedenen Bedeutungen des einfachen schlagen, und des Wörtchens an, auf verschiedene Art gebraucht wird.

1. Anfangen zu schlagen, besonders einen Ton anzugeben; wo es, wenn es absolute und ohne Accusativ gebraucht wird, auch als ein Neutrum betrachtet werden kann. Mit der Glocke anschlagen, oder auch schlechthin anschlagen, an die Glocke schlagen, eine Feuersbrunst u.s.f. anzuzeigen. Auf dem Claviere wird angeschlagen, wenn auf einen Clavem geschlagen wird, um dessen Ton hören zu lassen. Eine Arie auf dem Flügel anschlagen, den Anfang derselben spielen. In weiterer Bedeutung, laut werden, sich hören lassen. Der Vogel schlägt an, fängt an zu singen.


Hörst du den Nachtegall

Wie lieblich schlägt er an,

Rachel.


Besonders von Hunden, für bellen. Die Hunde schlagen an, haben angeschlagen.

2. An etwas schlagen. An die Thür, an die Glocke anschlagen. Die Wellen schlugen mit großer Heftigkeit an das Ufer an. In weiterer Bedeutung, das Gewehr anschlagen, es an den Backen legen, um es abzudrücken. In den Bergwerken bedeutet anschlagen nach einer ziemlich starken Figur, die Kübel mit Erz oder Gesteine anfüllen, weil nach deren Anfüllung mit Anschlagen oder Rufen ein Zeichen gegeben wird, sie hinauf zu ziehen. Die Sichel anschlagen, an das Getreide, und die Hand an etwas anschlagen, für anlegen, sind im Hochdeutschen größten Theils veraltet. Das Anschlagen, eine Art Kinderspieles, da Zahl- oder Rechenpfennige an die Wand geschlagen oder geworfen werden; da denn derjenige gewonnen hat, welcher des andern Pfennige auf der Erde mit einer Spanne von dem seinigen erlangen kann.

3. Vermittelst eines Schlages an etwas befestigen. Ein Schloß anschlagen. Ein Thürband anschlagen. Ein Bret anschlagen. Eine obrigkeitliche Verordnung, ein Mandat, eine Bekanntmachung anschlagen. Einen Ausreißer anschlagen, seinen Nahmen an den Galgen schlagen. Daher in weiterer Bedeutung auch so viel, als durch einen solchen Anschlag feil biethen. Ein Haus anschlagen. Seine Güter sind bereits angeschlagen.

In noch weiterer Bedeutung, verschiedene Arten der Verbindung einer Sache mit der andern anzudeuten, doch nur als ein Kunstwort in einigen einzelnen Fällen. So bedeutet anschlagen bey den Schneidern und Nähterinnen, mit weiten Stichen auf eine kurze Zeit befestigen, welches auch anheften, in Niedersachsen aber anrijen und trakeln genannt wird. In den Küchen bedeutet eine Rindszunge, eine Kalbskeule, einen Schinken anschlagen, das Fleisch von den Knochen ablösen, es mit Eyern, Gewürzen u.s.f. hacken, es wieder an die Knochen legen, und dann backen oder kochen. Daher eine angeschlagene Kalbskeule, ein angeschlagener Hecht. Die Tuchmacher und Tuchscherer schlagen die Tücher an, wenn sie selbige an die Häkchen oder Claviere des Tuchrahmens befestigen. In der Bienenzucht schlagen die Bienen Junge an, wenn sie Brut in die Zellen setzen. Einem Fessel anschlagen, für anlegen, wie Opitz singt:


Den Schenkel schlug man Fessel an,


ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.

4. Heran schlagen, durch Schlagen hervor bringen, doch nur in dem Ausdrucke, Feuer anschlagen, es vermittelst eines an einen Stahl geschlagenen Feuersteines hervor bringen.

5. Berechnen, schätzen. Eines Vermögen anschlagen, taxiren. Etwas zu Gelde anschlagen, dessen Werth in Gelde angeben. Dieß ist zu theuer, zu hoch angeschlagen. Ein jeder[358] schlägt sich in einem zu hohen Preise an, setzt sich höher an, als er werth ist. Wie schlägst du mir dieses an? oder, wie hoch schlägst du mir dieses an? wie hoch rechnest du es mir an? Ich habe es für zehn Thaler angeschlagen.

Das einfache schlagen bedeutete ehedem auch zählen, eigentlich die Steine, deren sich die erste Einfalt zum Zählen bediente, setzen oder rücken, und dieser Begriff liegt auch noch in überschlagen, d.i. überrechnen, zum Grunde; S. Ihre Glossar. v. Slå. Nur die Bedeutung des Vorwortes an ist hier nicht so deutlich, ob sie gleich in den letzten Beyspielen, wo anschlagen für anrechnen stehet, keine Schwierigkeit hat.

II. Als ein Neutrum, welches mit beyden Hülfswörtern verbunden wird.

1. Mit seyn, an etwas schlagen, heftig an etwas fallen. Er ist an die Mauer angeschlagen. Ich schlug mit dem Kopfe an die Wand an. Wird das Verbum hier zu einem Reciproco, so bekommt es auch das haben wieder. Er hat sich den Kopf an die Mauer angeschlagen.

2. Mit haben. 1) Die verlangte Wirkung thun. Dieses Mittel wird gewiß anschlagen. Ich freue mich, daß meine Arzeney so gut angeschlagen hat, Gell. Meine Vermahnungen haben nicht angeschlagen. Alle meine Zucht hat schlecht angeschlagen. Es will nichts mehr bey ihm anschlagen, helfen. Das gute Essen und Trinken schlägt vortrefflich bey ihm an. Der Stoß schlägt an, bey den Jägern, wenn das Echo denselben wiederhohlet; wo es aber auch zu der vorigen Bedeutung gerechnet werden kann. Im Oberdeutschen verbindet man das Verbum in dieser Bedeutung mit seyn, die Arzeney ist angeschlagen; allein im Hochdeutschen ist haben üblicher und auch dem merklich thätigen Sinne angemessener. Das einfache schlagen, kommt in der Bedeutung des Helfens, Wirkens, in einer Österreichischen Urkunde vom Jahre 1440 vor, wo es heißt: und ob das nicht schlawn wolt, ob es nicht helfen wollte. 2) * Einen Anschlag, Entwurf zu etwas machen, einen Vorsatz fassen, weil das einfache schlagen auch in der Bedeutung des Durchdenkens, Überlegens üblich war; S. Ihre Glossar. v. Slå. Als sie ihn nun sahen von fern – schlugen sie an, daß sie ihn tödteten, 1. Mos. 37, 18. Des Menschen Herz schläget seinen Weg an, Sprüchw. 16, 9. Solches schlagen sie an, und fehlen, Weish. 2, 21. Im Oberdeutschen muß dieser Gebrauch auch noch üblich seyn; wenigstens sagt man daselbst noch: etwas mit einem anschlagen, verabreden; allein im Hochdeutschen ist diese Bedeutung völlig veraltet, und es ist davon nur noch das Substantiv Anschlag für Entwurf, üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 357-359.
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