Anstoß, der

[385] Der Ánstoß, des -es, plur. die -stöße, von dem folgenden Verbo anstoßen.

1. Das Anstoßen, so wohl in den Bedeutungen des Activi, als des Neutrius, ohne Plural. Und zwar, 1) in eigentlicher Bedeutung, das Anstoßen an einen harten Körper.


Es irret sie kein Anstoß oder Fall,

Opitz Ps. 119, 83.


Der Stein des Anstoßes, in der biblischen Schreibart, eigentlich, woran man sich stößet. Warum muß ich dein Stein des Anstoßes seyn? Hiob 7, 20. nach des Herrn Hofrath Michaelis Übersetzung. 2) Der Anstoß bey den Schneidern, das Zusammennähen zweyer Stücke vermittelst der Anstoßnaht, welche die Stiche in die zwey einander gleich gestoßenen Enden führet, ohne daß sie umgenähet oder mit Hinterstichen zusammen genähet werden. 3) Das Anstoßen im Reden. Etwas ohne Anstoß hersagen. Eine Sprache ohne Anstoß sprechen. 4) Die schwache Empfindung des Unschicklichen oder Unerlaubten in den Ausdrücken oder Handlungen eines andern, welche, wenn sie stärker wird, ein Ärgerniß heißt. Das wird Anstoß verursachen. Allen Anstoß zu vermeiden, wollen wir heute nicht tanzen.

2. Was an etwas stößet, oder einen anstößet, besonders von Krankheiten. Anstoß von dem Fieber, von dem Podagra haben. In figürlicher Bedeutung, welche aber im Hochdeutschen wenig üblich ist, Anfechtung. Er hat viel Anstöße. Anstoß leiden. Nicht gemeine Anstöße empfinden, Gryph.

3. Dasjenige, woran man stößet. Einem einen Anstoß legen. Du sollt vor den Blinden keinen Anstoß setzen, 3. Mos. 19, 14. Ingleichen in figürlicher Bedeutung, dasjenige, was bey andern eine schwache Empfindung des Unschicklichen oder Unerlaubten verursacht. Allen Anstoß vermeiden, eine jede Handlung, welche dergleichen Empfindung bey andern hervor bringen kann. Zuweilen auch dasjenige, was ein Hinderniß in einer Sache verursacht.

4. Was an etwas angestoßen, mit demselben verbunden wird. So pflegen einige ein Gebäude, welches an das andere angebauet wird, einen Anstoß zu nennen.

Anm. In der Baselschen Ausgabe des neuen Testamentes von 1523, stehet Anstoß unter den unbekannten Wörtern, und wird dabey durch ergerniß, strauchlung erkläret.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 385-386.
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