Aus

[568] Aus, eine Partikel, welche denjenigen Ort bezeichnet, in dessen Innern eine Bewegung oder Handlung ihren Anfang nimmt, und welche in einer doppelten Gattung üblich ist.

I. Als eine Präposition, welche die dritte Endung nach sich erfordert; und da hat sie die eben angeführte Bedeutung,[568]

1. Im eigentlichen Verstande. Aus dem Bette kommen. Aus dem Hause gehen. Einen aus dem Sattel heben. Den Brand aus dem Feuer reißen. Den Kopf aus der Schlinge ziehen. Er ist aus Schweden. Man hat mir aus Paris geschrieben. Aus wird in diesem Falle alle Mahl der Präposition in entgegen gesetzet, d.i. wenn auf die Frage wo? in folget, so muß auf die Frage woher? aus gesetzet werden; hat aber die erstere Frage eine andere Präposition, so bekommt die letztere das von. Die Ursache davon liegt in der schon angezeigten eigentlichen Bedeutung des aus, welche den terminum a quo nur in so fern andeutet, als er in dem Innern einer Sache enthalten ist. Man sagt daher, aus der Kammer, aus dem Zimmer, aus der Kirche, aus dem Garten, aus dem Hause, aus dem Walde kommen u.s.f. weil man sagt, in der Kammer, in dem Zimmer, in der Kirche, in dem Garten, in dem Hause, in dem Walde seyn. Hingegen kommt man von dem Rathhause, von dem Felde, von Tische, von Hause, vom Hofe u.s.f. weil man auf dem Rathhause, auf dem Felde, bey Tische, zu Hause, bey Hofe u.s.f. gewesen ist.

Hierher gehören auch sehr viele Arten zu reden, in welchen das aus diese seine eigentliche Bedeutung hat, obgleich die ganze Redensart figürlich ist; z.B. eine Gelegenheit aus den Händen lassen. Etwas aus der Acht lassen. Ich habe es mir längst aus dem Sinne geschlagen. Eines folget aus dem andern. Einer aus euch. Aus vollem Halse lachen, schreyen. Aus aller Macht laufen. Die Wehmuth redete aus seinen Mienen. Die Unruhe und sein Verbrechen redeten aus ihm, Gell. Was muß doch aus dem Vogel singen? ebend. Aus ihrer seligen Ruhe sieht die Weisheit auf Ameisen herunter, die um Strohhalme kämpfen, Dusch. Aus freyer Hand, ohne mechanische Hülfsmittel.

In einigen Redensarten ist der weitere Begriff der Entfernung der herrschende, ohne daß eben auf das Innere derjenigen Sache, wo die Veränderung ihren Anfang nimmt, gesehen würde; das ist, aus stehet in einigen Fällen für von. Den Feind aus dem Felde schlagen. Einem aus dem Wege gehen. Wir sind aus dem Wege gekommen. Er hat sich aus dem Athem gelaufen, im gemeinen Leben. Aus seiner Gelassenheit kommen, sie verlieren. Aus der Übung, aus der Mode kommen. Wir wollen sehen, wie wir mit ihr aus einander kommen, Gell.

2. Figürlich bezeichnet es,

a) Den Stoff, die Materie, in welcher eine andere Sache dem Raume nach enthalten war. Man kann nicht aus einem jeden Holze eine Venus schnitzen. Aus Stein gearbeitet. Aus Wasser Wein machen. Aus nichts wird nichts. S. Von. Ingleichen in vielen figürlichen Redensarten. Aus Freunden können Feinde werden. Was soll ich aus dir machen, von dir halten. Ich mache mir nichts daraus, ich achte es nicht. Es wird nichts aus der Sache, sie kommt nicht zu Stande. Das kommt aus dem Genecke, das ist die Wirkung, die Folge davon. Der Mensch besteht aus Leib und Seele. Ich dächte, ich machte kein Geheimniß aus der Sache. Du machst aus einer Handlung ein Verbrechen, die doch nur ein Fehltritt ist.

b) Den Grund der Erkenntniß einer Sache. Ich weiß es aus der Erfahrung. Ich kann es aus deinem Gesichte wahrnehmen. Aus den Reden anderer hörte ich es. Du weißt es aus deinen eigenen Empfindungen, welche Wohlthat es ist, Glückliche zu machen.

c) Den Bewegungsgrund einer Handlung; in welchem Falle das folgende Substantiv alle Mahl seinen Artikel verlieret. Er that es aus Geitz. Aus Lust zur Ruhe. Aus Schwachheit sündigen. Ich konnte aus Mangel der Gelegenheit nicht[569] schreiben. That er es auch aus eigenem Triebe? Viele Leute sind aus Dummheit fromm. Ich habe ihm diese Last aus gutem Herzen aufgetragen. Aus der Ursache, aus diesem Grunde.

d) Den Gegenstand einer Unterredung; doch nur in der R.A. er hat mit mir aus der Sache gesprochen, wofür doch von der Sache, oder über die Sache schicklicher und richtiger ist.

3. Zuweilen wird aus dem Substantive nachgesetzet, und da verlieret es nebst der Endung des Substantives auch die Eigenschaft einer Präposition, ungeachtet man es deßhalb eben noch nicht unter die eigentlichen Adverbia rechnen kann. Es bedeutet alsdann, (1) den terminum a quo, so fern er in dem Innern einer Sache enthalten ist. Er schrieb mir von Berlin aus. Ein fürstlicher Rath von Hause aus, ein Agent von Hause aus, der die Geschäfte seines Obern aus dem gewöhnlichen Orte seines Aufenthaltes besorget. Der brausende Sturm, der das Meer von Grund aus aufrühret. (2) Den terminum ad quem, so fern derselbe zugleich das Ende ist, bis zu Ende, doch nur im gemeinen Leben. Er gehet das ganze Haus aus. Wir standen die ganze Predigt aus. Jahr aus, Jahr ein, von einem Jahre zum andern, alle Jahre.

II. Als ein Umstandswort, welches aber nur von einem eingeschränkten Gebrauche ist. Es bezeichnet alsdann, 1. das Ende einer Sache, gemeiniglich nur mit dem Hülfsworte seyn. Der Handel ist aus, zu Ende. Der Wein ist aus, es ist kein Wein mehr da. Es ist aus mit ihm, sein Wohlstand hat ein Ende, oder auch, er ist gestorben. Es ist noch nicht ganz aus mit ihm. Nicht alles ist hier aus, Dusch. es hat nicht alles mit dem irdischen Leben ein Ende. In diesem Falle kann aus seyn auch als ein zusammen gesetztes Wort angesehen werden, S. Ausseyn.

2. Stehet es auch zuweilen für heraus und hinaus. Er weiß weder aus noch ein, er befindet sich in der größten Verlegenheit.

Anm. 1. Opitz gebraucht aus und sehr oft intensive für überall, an allen Orten, durchaus, in allen Stücken; z.B.


Dieß ganze hier, der Erden schönes Haus,

Hat er so tief gesetzet aus und aus,

Ps. 93, 2.


Ihr werdet stets dem Herren aus und aus

Gesegnet seyn,

Ps. 115, 8.


Der mit der großen Faust die Welt spannt aus und aus, u.s.f.


Allein dieser Gebrauch ist im Hochdeutschen völlig unbekannt.

Anm. 2. In vielen Wörtern nimmt diese Partikel den hintersten Platz, und bedeutet alsdann einen terminum a quo, wie oben, oder eine Entfernung, oder auch eine Ausleerung und Endigung. Dergleichen sind z.B. daraus, durchaus, voraus, garaus, heraus, hinaus, hintenaus, hieraus, überaus, woraus; ingleichen die im gemeinen Leben üblichen Substantiva, das Garaus, Kehraus, Reißaus, welche daher, so wie andere ähnliche Wörter indeclinabel sind.

Anm. 3. Wenn aber diese Partikel mit Verbis zusammen gesetzet wird, so ist die Bedeutung weit vielfacher. Denn

1) Die Präposition aus bezeichnet alsdann eine Bewegung, welche sich von einem gewissen angenommenen Mittelpuncte entfernt, und zwar so, daß entweder zunächst auf den Mittelpunct gesehen wird, wo die Bewegung ihren Anfang nimmt, oder auf das Ziel, wohin sie gerichtet ist.

a) In dem ersten Falle stehet es für heraus, wie in ausathemen, ausbeißen (einen Zahn), ausbürsten (den Staub), ausbeitzen, sich etwas ausbitten, ausbleichen, das Fett ausbraten, einen Zahn ausbrechen, die Speise ausessen, einen Nagel[570] ausziehen, das Unkraut ausrotten u.s.f. wo es auch oft metonymisch derjenigen Sache beygefüget wird, auf welcher die Handlung vorgehet, mit Verschweigung derjenigen, welche eigentlich in Bewegung gesetzet wird; z.B. den Hut ausbürsten, das Kleid ausklopfen, die ganze Schüssel ausessen, sich ausziehen, ein Ey ausblasen, Treffen ausberennen u.s.f. Aus dieser Bedeutung fließen wieder verschiedene figürliche, die mit ihren kleinen Abänderungen und Nebenbegriffen gar sehr vervielfältiget sind; wovon aber die vornehmsten etwa folgende seyn mögen. (a) Den Sitz einer Handlung im Innern eines Körpers auszudrucken. Eine Nabe ausbohren, ein Faß ausbrühen, einen Becher ausdrechseln, einen Weg ausfahren, ausfüllen, ein Loch mit Bley ausgießen, einen Stall ausbohlen u.s.f. (b) Eine Intension auszudrucken, oder anzuzeigen, daß die Handlung den gehörigen Grad der Vollkommenheit erreicht habe, gleichsam von Grund aus. Eine Schrift ausarbeiten. Das Brot ist nicht ausgebacken. Etwas ausbessern, ausbilden, ausbluten, ausplätten, ausdauern, ausflicken ausspotten, ein Haus ausbauen u.s.f. wo aus der Intension oft nur eine bloße müßige Verlängerung wird. (c) Die Endschaft einer Handlung oder eines Zustandes. Die Bäume haben ausgeblühet, das Meer hat ausgebrauset, der Zornige hat ausgetobet, die Andächtige hat schon ausgebethet u.s.f. Alle diese Verba sind Neutra, welche das Hülfswort haben zu sich nehmen, sie können mit allen Verbis gemacht werden, sie mögen Activa oder Neutra seyn, sind aber nur in den zusammen gesetzten Zeiten üblich, aber auch hier oft gemein und niedrig.

b) In dem zweyten Falle, wo nehmlich mehr auf das Ziel gesehen wird, wohin die Bewegung gerichtet ist, so fern dasselbe von dem Mittelpuncte entfernet ist, stehet aus für hinaus; wie in austreiben, auspeitschen, jemanden ausbeißen, ausschließen, einen Miethmann ausbiethen, ausgehen, ausrücken, ausfahren u.s.f. Figürlich bedeutet diese Partikel vornehmlich: a) die Verbreitung einer Sache, ihre Vertheilung unter mehrere, ihre Bekanntmachung, u.s.f. Dahin gehören: Eine Auflage ausschreiben, ein Geheimniß ausplaudern, ausposaunen, ein Fest ausblasen, eine Sache ausbiethen, Geld ausborgen, den Frieden ausrufen, u.s.f. b) Die Handlung, nach welcher eine Sache aus einem kleinern Raume in einen größern gebracht wird, wo es für aus einander stehet; wie in ausballen, ausbinden, ausflechten, ausbreiten, ausdehnen, auswickeln u.s.f.

2) Das Umstandswort aus hat vornehmlich eine doppelte Bedeutung. (a) Stehet es für auswärts, in ausbleiben, ausstehende Schulden, und noch einigen wenigen andern. (b) Deutet es die Aufhebung der Dauer einer Sache, die Vernichtung derselben an, deren nähere Art und Weise durch das Verbum bestimmt wird. Dahin gehören: das Licht ausblasen, die Lampe auslöschen, das Feuer ausgießen, eine Schrift auswischen u.s.f.

Anm. 4. Fast alle Europäische Sprachen haben diese Partikel, obgleich unter allerley Veränderungen. In den meisten ist der Vocal ein u. Goth. us, ut, uta; Angelsächs. ut; Alem. und Fränk. uz; Engl. out; Holländ. uyt; bey den Krainerischen Wenden is. Selbst das Persische ez, und Lateinische ex gehören hierher. Der unangenehme Doppellaut au gehöret der jüngern Alemannischen Mundart zu. Die Schweizer, Salzburger und andere Oberdeutsche sprechen noch uß, und die Niedersachsen ut. Das s ist der den Alemannen so beliebte Zischlaut. Die Niedersachsen und alle mit ihnen verwandte Mundarten haben dagegen, wie in tausend andern Wörtern, ein t.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 568-571.
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