Aussicht, die

[650] Die Aussicht, plur. die -en. 1. Das Aus- oder Hinaussehen, in der thätigen Gattung des Verbi; ohne Plural. 1) Eigentlich. Einem die Aussicht verwehren. Das Haus hat die Aussicht auf das Meer, aus dem Hause siehet man auf das Meer. Hier konntest du eine artige Aussicht über das lachende Land haben, Dusch. Hier will ich die weite Aussicht über diese Ebene von allen Hindernissen befreyen, ebend. In engerer Bedeutung ist Aussicht in den Rechten, das Recht, durch einen gewissen Ort des Gutes seines Nachbars zu sehen; Servitus prospectus. Daher ein Aussichtsfenster, ein Fenster, durch welches man eine freye Aussicht hat, im Gegensatze der Lichtfenster, die nur das Tageslicht einlassen. 2) Figürlich, das Hinaussehen mit den Augen des Geistes, die Betrachtung der Zukunft, und die angestellte Betrachtung selbst; in welchem letztern Falle auch der Plural Statt findet. Freudige Aussichten eines Christen in die Ewigkeit, ist der Titel gewisser moralischer Betrachtungen. Die Liebe, die mich jeden Augenblick mit Aussichten in eine glänzendere Zukunft entzücket, Dusch.

2. Die Gegend, wohin man siehet. 1) Eigentlich. Das Haus hat eine schöne Aussicht. Einem die Aussicht verbauen, benehmen. Sie müßten sehr fühllos seyn, wenn bey dem Anblicke jener lachenden Aussichten keine sanfte Wollust sich ihrer Seele bemeistern sollte, von Brawe. Himmel, welche Aussicht breitet sich vor meinem Auge aus! Gesn. 2) In engerer Bedeutung sind Aussichten in der Mahlerkunst, der Baukunst und dem Gartenbaue, perspectivische Anordnungen, welche das Auge täuschen und demselben eine weite Aussicht darstellen, die doch nicht vorhanden ist. 3) Figürlich, wohin man mit den Augen des Geistes siehet. Die besten Aussichten haben, die beste Hoffnung für die Zukunft. Erweitere deine Aussichten, und stelle dir das Feld der Handlungen nicht kürzer vor, als es ist, Dusch. Welch eine weite Aussicht über Scenen des Jammers eröffnen sich hier! ebend.

3. Die Art, wie ein Gegenstand in einer gewissen Entfernung gesehen wird, wofür doch Prospect üblicher ist. Aussichten von Städten, Prospecte. Figürlich, die äußere Gestalt. Folge mir mit deinen Gedanken, ich will dir die Welt in einer melancholischen Aussicht vor Augen stellen, Dusch.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 650.
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