Austrèten

[663] Austrèten, verb. irreg. (S. Treten,) welches auf gedoppelte Art gebraucht wird.

[663] I. Als ein Activum. 1) Heraus treten, durch Treten heraus bringen. Die Körner austreten, aus den Ähren. Die Trauben austreten. Einem die Schuhe austreten, im gemeinen Leben, figürlich, sich in dessen Stelle drängen, ihn durch List eines Vortheils berauben. 2) Aus einander treten. Den Speichel austreten. Ingleichen durch Treten erweitern. Die Schuhe austreten. 3) Durch Treten aushöhlen. Die Stufen einer Treppe austreten. Der Grabstein ist sehr ausgetreten.

II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn. 1) Den Fuß im Gehen aufheben. Im geschlossenen Marsche müssen alle Soldaten zugleich austreten. 2) Aus seinen Grenzen, aus einem bestimmten Orte treten. Das Wasser tritt aus. Der Fluß ist ausgetreten. Da wo der Bach auf die Wiese ausgetreten war. Das Austreten des Mastdarmes. Ingleichen figürlich, auf kurze Zeit flüchtig werden, als ein gelinderer Ausdruck für das härtere ausreißen. Es sind viele Soldaten ausgetreten. Der Kaufmann ist ausgetreten. Daher die Austretung in den Bedeutungen des Activi, und zuweilen auch der Austreter, der ausgetretene, in der zweyten Bedeutung des Neutrius.

Anm. Austreten für ausschweifen, in moralischer Bedeutung,


Gestalt pflegt auszutreten

Und ist ihr Kuppler selbst,

Opitz,


ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Daß die im gemeinen Leben übliche R.A. die Kinderschuhe noch nicht ausgetreten haben, noch in der Kindheit leben, dem heutigen Gebrauche des Verbi nach, einen falschen Begriff gewähre, hat schon Frisch angemerket. Es sollte heißen: noch nicht aus den Kinderschuhen getreten seyn. Man müßte denn hier die zweyte thätige Bedeutung des Verbi annehmen, da es denn eigentlich jemanden bedeuten würde, der noch nicht lange in den Kinderschuhen gehet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 663-664.
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