Büßen

[1278] Büßen, verb. reg. welches in dreyfacher Gattung üblich ist.

I. Als ein Activum. 1. Ausbessern, verbessern, in der eigentlichsten Bedeutung. Die Lücken an der Mauer büßen, Nehem. 4, 5, ausbessern. Daher sagt man noch jetzt im gemeinen Leben, die Lücken büßen müssen, oder Lückenbüßer seyn, eines andern Versehen wieder gut machen, eines andern Stelle vertreten müssen. Außer dieser Redensart ist es im Hochdeutschen veraltet, nicht aber im Oberdeutschen, wo man noch jetzt alte Kleider, böse Wege u.s.f. büßet, d.i. ausbessert. S. Ausbüßen, und Bußstück. 2. Den zugefügten Schaden ersetzen, in welcher jetzt fast veralteten Bedeutung man ehedem sagte, einen büßen, und einen Schaden büßen. Laß die Strafe, die ich erduldet habe, meine Beleidigung büßen, Dusch.


Froven guete mannen kumber buesset,

Markgr. Otto von Brandenb.


Das ich si sehen muesse,

Vnd alle ir sorge buesse,

Reinmar der Alte.


Ingleichen für etwas genug thun. Er büßet mit seinem Leben. Und selbst mit deinem Blute sollst du diese Beleidigung büßen, Weiße. Mit dem Tode wettet man den Richter und büßet den Kläger, welcher alte Rechtsspruch den Unterschied zwischen Buße und Wette deutlich an den Tag leget. S. auch das folgende Neutrum. Wi mag si die sunde buissen? Ulrich von Winterstetten. 3. Befriedigen, von Empfindungen und Leidenschaften, welcher Gebrauch vermuthlich eine Figur der vorigen Bedeutung ist. Darum, daß die Philister sich gerochen haben, und den alten Haß gebüßet – am Schaden meines Volks, Ezech. 25, 15. Da aßen sie und wurden allzusatt. Er ließ sie ihre Luft büßen. Da sie nun ihre Lust gebüßet hatten, u.s.f. Ps. 78, 29, 30. Denn es kamen ihnen Wachteln vom Meer, ihre Lust zu büßen, Weish. 19, 12. In dieser Bedeutung ist es in der Redensart seine Lust büßen, im Hochdeutschen noch am üblichsten, obgleich solche nur im gemeinen Leben gebräuchlich ist. Ottfried gebraucht es von dem Hunger und dem Durste:


Ir gebuaztut mir in uuar

Thurst inti hungar,

B. 5, Kap. 20,


ihr stilletet mir den Hunger und Durst. Obgleich büßen in allen diesen Bedeutungen ein wahres Activum ist, so ist es doch in den beyden letztern im Passivo nicht gebräuchlich.

II. Als ein Factitivum, zur Ersetzung des zugefügten Schadens anhalten, an Gelde strafen, und in weiterer Bedeutung überhaupt strafen. So sollen die Ältesten der Stadt den Mann[1278] nehmen und züchtigen und um hundert Seckel Silbers büßen, 5 Mos. 22, 19. Und büßte das Land um hundert Centner Silbers, 2 Chron. 36, 3. In dieser Bedeutung ist es nur noch in den Niedersächsischen Gerichten üblich. Ehedem gebrauchte man es auch in weiterm Verstande von Leibesstrafen. Inan gibuoztan vorlazza, ich will ihn gezüchtiget entlassen, ihn züchtigen und los lassen, Tat.

III. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Strafe leiden. Er muß jetzt dafür büßen. Er soll mir schon dafür büßen. Er hat sein Verbrechen genug büßen müssen. Wenn die Obrigkeit sündigt, müssen die Unterthanen büßen. Bey ihnen kann man das Vergnügen über ungerechte Schmeicheleyen hart genug büßen.


Wenn jemand schuldig ist, so laß die Schuld mich büßen,

Weiße.


Diese Bedeutung hänget mit der zweyten thätigen genau zusammen, ja sie ist nur eine Figur derselben.

Anm. Büßen, in Oberschwaben buaßen, bey dem Ottfried buazen, bey dem Kero puazzen, im Nieders. böten, im Dän. bode, im Schwed. bota, im Isländ. baeta, im Angels. bote, bedeutet eigentlich physisch bessern, oder verbessern, und hernach den zugefügten Schaden ersetzen. Ottfried gebraucht es auch für Buße thun im theologischen Verstande. Es stammet von dem alten baß, in den Sächsischen und damit verwandten Mundarten bat, besser, her, welches aber auch als ein Hauptwort üblich war, und Nutzen bedeutete, wie noch das heutige Nieders. Bate, und Holländ. Bate. S. Besser. Das Hauptwort, die Büßung, kann so wohl in den Bedeutungen des Activi als auch in der Bedeutung des Neutrius gebraucht werden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1278-1279.
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