Bauen (1)

[751] 1. Bauen, verb. reg. act. welches noch in einer gedoppelten Bedeutung gebraucht wird. 1. Wohnen, sich an einem Orte aufhalten; so wohl von dem beständigen Aufenthalte an einem Orte, in welchem Verstande man nur noch im Hochdeutschen sagt, das Elend bauen, sich im Elende, oder außerhalb seinem Vaterlande aufhalten.


Daß ich vor langer Zeit

Von meinem Vater daheym muß reyt

Frömde Land und Leut zu pawen,

Theuerd. Kap. 116.


Als auch von einem kurzen Aufenthalte, wie besuchen; in welchem Verstande man im gemeinen Leben noch häufig sagt: einen Jahrmarkt, eine Messe bauen, als Verkäufer besuchen.


Viel lieben von dem Strand auf einen hinzuschauen,

Der in Gewitters Noth die strenge See muß bauen,

Opitz.


S. auch Baulich.

2. Tragbar, nutzbar machen. 1) Eigentlich von dem Acker. Den Acker, das Feld bauen, den Acker zubereiten, daß er Früchte bringen kann. Ein gebauetes Land. Hier liegen viele Plätze ungebauet. Einen Garten, einen Weinberg bauen. 2) In weiterer Bedeutung, auch von der Gewinnung der Erze mit allen dazu gehörigen Nebenarbeiten. Ein Bergwerk bauen es bearbeiten. Eine Grube bauet sich frey, wenn sie so viele Ausbeute gibt, als die Kosten erfordern. 3) Durch Bauen, d.i. Bearbeiten, Bestellen erzeugen, vornehmlich von Feldfrüchten. Wir haben dieses Jahr wenig Getreide gebauet. In diesem Lande bauet man vielen Weitzen. Vielen Flachs, Hopfen, Wein bauen. Ein wenig uneigentlich ist es daher, wenn man auch Honig, Seide, Wolle u.s.f. bauet, wofür erzeugen oder ein anderer ähnlicher Ausdruck schicklicher ist. So auch der Bau, denn die Bauung ist nicht gewöhnlich.

Anm. Die Bedeutung des Wohnens ist schon sehr alt, indem bua, boo, bey dem Ulphilas, puan bey dem Kero, buen, buiuuen bey dem Ottfried, und byan im Angelsächsischen eben das bedeuten. In den spätern Zeiten ist wohnen daraus entstanden, welches im Dänischen noch jetzt bon lautet. Um die zweyte Hauptbedeutung aus der ersten des Wohnens herzuleiten, muß man sich an die unstäte und herum schweifende Lebensart der ältesten Völker erinnern, welche noch jetzt bey vielen Tartarischen Horden Statt findet. So bald die Noth ein solches Volk zwinget, auf die Bestellung des Feldes zu denken, so bald muß es sich auch auf eine beständigere Art daselbst aufhalten, und daher ist es vermuthlich gekommen, daß bey der anfänglichen Armuth der Sprachen bauen so wohl für wohnen, als bestellen, bearbeiten gebraucht wurde.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 751.
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