Berathen

[855] Berathen, verb. irreg. act. (S. Rathen,) welches nach dem verschiedenen Gebrauche des Wortes Rath auch verschiedene Bedeutungen hat.

1. Mit dem nöthigen Geräthe versorgen, und zwar, 1) * in der weitesten Bedeutung, begaben, begiften. Ein Gotteshaus berathen, es mit den nöthigen Einkünften versorgen, in Strykers altem Gedichte auf Carln den Großen. Allein diese Bedeutung ist größten Theils veraltet; außer daß, Gott berathe dich! an einigen Orten noch eine gewöhnliche Formel ist, einen Bettler abzuweisen. 2) Ein Kind berathen, es mit der nöthigen Versorgung von sich lassen, es sey ein Sohn, oder eine Tochter, ausstatten, in der weitesten Bedeutung dieses Wortes. Berathe deine Tochter, Sprw. 7, 2. 3) In engerer Bedeutung, mit der nöthigen Gerade, oder Geräthschaft versehen, im Gegensatze der Aussteuer, besonders von Töchtern. In beyden Bedeutungen kommt dieses Wort so wohl in den Statuten mancher, besonders Niedersächsischer Gegenden, als auch in der rechtlichen Schreibart noch zuweilen vor. 4) Figürlich. a) * Bescheren. Wie der Wirth ist, so beräth Gott die Gäste, welche Redensart nebst dieser ganzen Bedeutung nur noch zuweilen im Oberdeutschen[855] gehöret wird. b) * Helfen, mit Rath und That an die Hand gehen. Daß ich wohl berathe, die mich lieben, Sprichw. 8, 21. Das Got di sele wol beriet, in Strykers altem Gedichte bey dem Schilter.


Daß ich wohl berathen bin,

Gryph.


Auch diese Bedeutung gehöret im Hochdeutschen unter die veralteten.

2. Von Rath, consilium. 1) Sich berathen, rathschlagen. Die auf meine Seele halten, berathen sich mit einander, Ps. 71, 10.


Wohl berathen, gut gerathen, bringt dem Rathe Ehr und Huld;

Wohl berathen, mißgerathen, setzt den Rath doch außer Schuld,

Logau.


Als dieses Paar die Welt betrat,

Beriethen beyde sich, was bestens anzufangen,

Haged.


Diese Bedeutung kommt im Hochdeutschen nur noch im gemeinen Leben vor, seitdem berathschlagen üblicher geworden ist. 2) * Beschließen, einen Vorsatz fassen. Ich merke wohl, daß Gott sich berathen hat, dich zu verderben, 2 Chron 25. Auch dieser Gebrauch ist bey uns veraltet; indessen sagt doch noch einer der neuesten Schriftsteller: Fehler, die die Menschen berathen und unberathen an ihrer Gesundheit begehen, vorsetzlich und unvorsetzlich.

So auch die Berathung in allen obigen Bedeutungen. Das Niedersächsische beraden kommt in den Bedeutungen mit dem Hochdeutschen überein. Rada bedeutet im Schwedischen verheirathen, råda aber geben. S. Gerade und Rath.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 855-856.
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