Besichtigen

[912] Besichtigen, verb. reg. act. in Augenschein nehmen, feyerlich oder mit Sorgfalt besehen. Eine streitige Grenze, einen Erschlagenen, einen entblößten Gang besichtigen. Die Straßen besichtigen. In den meisten Fällen, in welchen dieses Wort im Hochdeutschen gebraucht wird, schließt es eine gewisse Feyerlichkeit ein, die mehr als das Besehen ausdruckt. Allein im Oberdeutschen wird es in allen Fällen für besehen gebraucht, weil man daselbst auch ein schönes Haus, einen angenehmen Garten besichtiget, die man im Hochdeutschen nur besiehet. Doch wird das Hauptwort die Besichtigung auch für das Besehen gebraucht, weil dieses Verbum kein Hauptwort auf -ung hat. Daher der Besichtigungsschein, das visum repertum.

Anm. Es ist nicht zunächst von dem Beyworte sichtig, wie Frisch glaubt, sondern es ist das Frequentativum von dem veralteten besichten, welches noch in einer Urkunde von 1431 vorkommt; daher es schon vermöge dieser Form einen mehrern Nachdruck hat, als besichten und besehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 912.
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