Blöde

[1081] Blöde, -r, -ste, adj. et adv. welches heut zu Tage noch in einer gedoppelten Bedeutung üblich ist.

1. Für schwach, im Gegensatze dessen was scharf ist, und in dieser Bedeutung wird es theils von den Augen, theils aber auch figürlich von dem Verstande gebraucht. 1) Von den Augen. Blöde Augen haben, die nicht gut sehen. Ein blödes Gesicht. Aber Lea hatte ein blödes Gesicht, Rahel war hübsch und schön, 1 Mos. 29, 17. 2) Von dem Verstande. Ein blöder, d.i. schwacher, Verstand.


Er ist etwas blöden Verstandes,

Weiße.


Den Blöden leuchtet sein Verstand,

Weiße.


Wie oft sah ich mir nicht den blöden Aberglauben,

Die Hoffnung und die Ruh des ganzen Lebens rauben!

Weiße.


Wie mancher siegt durch eine feine Miene,

Der blöder ist, als Holz und Stein!

Gell.


2. Für furchtsam, und zwar, 1) * in Ansehung der Gefahr, zaghaft. Rehabeam war jung und eines blöden Herzens, daß er sich vor ihnen nicht wehrete, 2 Chron. 13, 7. Gott hat[1081] mein Herz blöde gemacht, und der Allmächtige hat mich erschrecket, Hiob 23, 16. Also stehet das blöde Herz der Narren in seinem Vornehmen wider kein Erschrecken, Sir. 22, 22. Werde nicht blöde, denn du sollt nicht zu Spott werden, Ef. 54, 4.


Zähle meine blöden Schritte,

Gryph.


In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es, 2) nur noch von dem zu geringen Zutrauen zu sich selbst im gesellschaftlichen Umgange gebraucht, im Gegensatze des dreist: Der Mensch ist sehr blöde, schüchtern in Gesellschaft. Er thut ein wenig blöde. Der Redner war zu blöde. In dieser Bedeutung gebrauchen auch die Niedersachsen ihr blöde, blöe, bloodhartig. Im Dithmarsischen ist dafür auch hödel, im Hannöverischen milern, und im Bremischen miren üblich.

Anm. Die Abstammung dieses Wortes ist bisher noch nicht hinlänglich untersucht worden. Schilter lässet es von dem alten blide, fröhlich, lustig, abstammen. Wachter bleibt bey der Bedeutung der Furcht stehen. Nach Frischen ist es so viel als belöten, belösen, oder auch als bloß. Weil blöd, blödig, im Schwedischen furchtsam, blöt aber weich, feucht bedeutet, so hält Herr Ihre beyde für zwey verschiedene Wörter, ohne sie doch genauer zu untersuchen. Im Deutschen ist die Bedeutung der Furcht die älteste. Ploden bedeutet in den Monseeischen Glossen sich fürchten; bey andern Fränkischen und Alemannischen Schriftstellern kommt es nicht vor. Hingegen ist im Angels. blithe einfältig, im Isländ. blaudur furchtsam, und im Schottländischen bleat verzagt. In einem 1501 zu Rom gedruckten Deutsch-Italiänischen Vocabelbuche wird debile durch ploed gegeben. Wenn man, wie es wohl scheinet, für die heutigen Bedeutungen dieses Wortes zwey verschiedene Stammwörter annehmen muß, so wird für die Bedeutung der Schwäche und vielleicht auch der Furchtsamkeit das alte lat, wofür die Hoch- und Oberdeutschen jetzt laß sagen, eine vielleicht nicht unbequeme Abstammung an die Hand geben. In einigen gemeinen Mundarten ist lätsch weich, faul, träge. Im Schwed. bedeutet lat, im Isl. latur, im Angels. laet, im Dän. lad, gleichfalls träge, faul, verzagt, bey dem Ulphilas ist latjan zaudern, und im Nieders. lad, im Engl. late, spät. Das b ist die verkürzte Partikel be. So fern aber blöde, schüchtern, unzeitig schamhaft bedeutet, gehöret es vermuthlich zu blühen in seiner weitesten Bedeutung, und druckt alsdann eigentlich den Begriff der Schamröthe aus. Erblöden und entblöden haben diese Bedeutung zum Theil noch, und in dem Überbleibsel eines alten Gedichtes auf Carls des Großen Feldzug bey dem Schilter von 1300 bedeutet erploten vor Zorn roth werden. S. Blühen und Blut.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1081-1082.
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