Bringen

[1196] Bringen, verb. irreg. act. Imperf. ich bráchte; Mittelwort gebrácht; Imperat. bring oder bringe. Dieses Zeitwort bedeutet überhaupt die Bewegung eines Dinges zu einem andern, so wohl im eigentlichen als figürlichen Verstande, verursachen.

I. In der weitesten und vermuthlich eigentlichsten Bedeutung, den Ort eines Körpers verändern, ihn von einem Orte weg und an einen andern schaffen, ohne die Art und Weise dieser Veränderung zu bestimmen. Und zwar,

1. Eigentlich, da denn dieses Wort, um der Allgemeinheit des Begriffes willen, nur in einigen bereits eingeführten Fällen vorkommt. Das Seinige an einen sichern Ort bringen. Sein Vermögen in Sicherheit (an einen sichern Ort,) bringen. Steine von einem Orte zum andern bringen. Man konnte den Stein nicht von der Stelle bringen. Geld zusammen bringen. Er hat ein großes Vermögen mit aus Amerika gebracht. Einen Flecken aus einem Kleide bringen. Pech ist schwer von der Hand zu bringen. Das Unkraut von dem Acker bringen. Siehe zu, wie du den Baum aus der Erde bringest, u.s.f.[1196]

2. Figürlich, da es in sehr vielen uneigentlichen Redensarten gebraucht wird, wo es überhaupt den Begriff der Verursachung, der Hervorbringung einer Wirkung hat. In einigen schleicht sich auch der Nebenbegriff der Mühe, in andern aber der Nebenbegriff des Widerstandes des Körpers, der beweget werden soll, mit ein. Es stehet alsdann, Theils mit allerley Nebenwortern des Ortes. Ich konnte es nicht dahin bringen, daß er zu uns käme. Wie weit haben sie die Sache gebracht? wie weit haben sie dieselbe befördert? wie weit sind sie in und mit derselben gekommen? Ich kann die Sache nicht weiter bringen. Er hat es weit, er hat es hoch gebracht, er hat großes Vermögen erworben, ist zu großem Ansehen gelanget. Er hat es in der Tugend, in der Standhaftigkeit, in dem Laster sehr weit, oder sehr hoch gebracht. Er wird es nicht weit bringen. Er wird es mit der Zeit noch höher bringen. Er hat sein Leben sehr hoch gebracht, er ist sehr alt geworden. Er wird sein Leben nicht hoch bringen. Seine Ausschweifungen haben ihn sehr herunter gebracht, haben den Zustand seines Vermögens, seiner Gesundheit, verderbet. Die zerstreueten Truppen wieder zusammen bringen. Etwas hervor bringen, demselben die Wirklichkeit ertheilen.

Theils aber auch mit Präpositionen. 1) Mit an. Etwas an sich bringen, es erwerben, es zu seinem Eigenthume machen, wobey die Art und Weise des Erwerbes, und dessen Rechtmäßigkeit noch unentschieden bleibt. Er hat es an mich gebracht, er hat mich zum Zorne gereitzet. Habe ich mich im Zorne übereilet, so haben sie es an mich gebracht. Personen an einander bringen, sie verhetzen. Seine Tochter an einen Mann bringen, sie verheirathen, ihr einen Mann verschaffen. Eine Waare an den Mann bringen, ihr einen Käufer verschaffen, sie verkaufen. Etwas an den Tag, an das Licht bringen, es entdecken, eine unbekannte Sache bekannt machen. Himmel bringe es an den Tag, wer ein Betrieger ist! Gell. Und han das ze Liecht pracht, heißt es schon bey dem Hornegk. 2) Mit auf. Etwas auf die Seite bringen, es heimlich fortschaffen, den Augen anderer entziehen. Etwas auf die Bahn bringen, machen, daß davon geredet, darüber berathschlaget werde. Truppen auf die Beine bringen, anwerben. Etwas auf einen bringen, ihn desselben als eines Verbrechens beschuldigen. Man konnte nichts auf ihn bringen, man konnte ihn keines Bösen überführen. Er hat sein Leben auf neunzig Jahre gebracht, er ist neunzig Jahre alt geworden. Ich kann es wohl noch auf eine Million bringen, ich kann wohl noch eine Million erwerben. Den Segen, den Fluch auf oder über ein Land bringen.


So bringt ein Bösewicht, den Erd und Himmel scheuet,

Der Götter schweren Grimm zugleich aufs ganze Land,

Schleg.


3) Mit aus. Streitende Parteyen aus einander bringen, sie von einander entfernen, sie versöhnen. Einem etwas aus dem Kopfe bringen, machen, daß er einen Vorsatz fahren lässet, einen Gedanken vergißt. 4) Mit in. Etwas in Rechnung bringen, es in die Rechnung schreiben. Etwas in Ordnung bringen. Eine Sache in Bewegung bringen. Etwas in Vergessenheit, in Andenken, in Erinnerung bringen. Es ist nichts in ihn zu bringen, er will nichts lernen, nichts begreifen. Etwas ins Reine (in Ordnung,) bringen. Etwas in Erfahrung bringen, es durch seine Bemühung erfahren. Sein Versprechen in Erfüllung bringen, es erfüllen. 5) Mit über. Etwas über das Herz bringen, sich nach einem empfundenen Widerstande dazu entschließen. Ich konnte es nicht über das Herz bringen, ihn zu verlassen. Soll ich nicht schon damit zufrieden[1197] seyn, Armuth und Verachtung über ihn gebracht zu haben? Weiße. 6) Mit um. Jemanden um das Seinige bringen, ihn dessen mit List oder unter dem Scheine eines Rechtes berauben. Dein Unsinn hat mich um die Früchte aller meiner Sorgen gebracht. Verwünscht sey der Groschen, um welchen sie mich bringt! Gell. Jemanden um das Leben bringen. S. Umbringen. 7) Mit unter. Etwas unter sich, oder unter seine Gewalt bringen. Eine Nachricht unter die Leute bringen, sie bekannt machen. Einen Verstorbenen unter die Erde bringen, ihn zur Erde bestatten. Jemanden unter die Erde bringen, im gemeinen Leben, Ursache an dessen Tode seyn. 8) Mit von. Einen Übelthäter von dem Leben zum Tode bringen, ihn hinrichten. 9) Mit vor und dem Accusative. Etwas vor sich bringen, Vermögen erwerben. Dabey bringt man nichts vor sich. Ich kann nichts vor mich bringen. S. Vor. 10) Mit dem Vorworte zu. Etwas zu Wege bringen, im gemeinen Leben, machen, daß es zu Stande, zur Wirklichkeit komme. Er bringt es zu nichts, er erwirbt nichts. Bringst du es zu etwas, erwirbst du Vermögen, so denke an uns. Etwas zu Papiere bringen, es aufschreiben. Etwas zum Vorscheine bringen. Ein Werk zu Stande bringen, es vollenden. Eine Sache zu Ende bringen. Ich will die Abschrift als einen Beleg zu der Rechnung bringen, Gell. sie der Rechnung beylegen.

II. In engerer Bedeutung.

1. Tragen, um es einem andern zu überliefern, theils mit der dritten Endung der Person, theils auch absolute.

1) Eigentlich. Bringe mir mein Kleid. Bringe mir das Buch hierher. Bringe es zu mir. Bringe es meinem Freunde. Ein Opfer bringen. Etwas zum Opfer bringen. Wer etwas bringt, ist überall angenehm. Einem ein Geschenk, oder etwas zum Geschenke bringen. Der Bothe bringt Briefe. Etwas zu Markte bringen, auch in einer figürlichen Bedeutung mit Verachtung, es vortragen. Sie hat keinen Heller zu mir gebracht, ich habe, da ich sie heirathete, keinen Heller mit ihr bekommen. 2) Figürlich. (a) Melden, vermelden. Einem eine gute, eine böse Nachricht bringen. Einen Gruß von jemanden bringen. Was bringen sie? Was ist ihr Begehren, ihr Verlangen? Etwas vor einen bringen, es ihm bekannt machen, oder durch andere bekannt werden lassen. Etwas an den Rath, an die Obrigkeit bringen. (b) Hervor bringen. Ein Kind zur Welt bringen, gebären. Die Zeit bringt Rosen. Früchte bringen, welche Redensart zwar biblisch, sonst aber wenig gebräuchlich ist. Dagegen gebrauchen die Jäger dieses Wort von dem Gebären der Lüchsinnen und kleinern Raubthiere, für werfen. Der Biber, die Fischotter hat Junge gebracht. Schlecht bringen, heißt bey ihnen in diesem Falle verwerfen. (c) Verursachen. Du bringst mir nichts als Schande. Diese Handlung wird ihm viele Ehre bringen. Das kann wenig Schaden bringen. Diese Nachricht hat ihm viel Vergnügen gebracht. Wahrheit bringt Haß, Glück bringt Neid. Gewalt bringt dir Gefahr, Schleg.

2. In einem gewissen Falle, an oder bey sich haben. 1) Eigentlich. Das Kind hat ein Muttermahl mit auf die Welt gebracht. Wir haben nichts mit auf die Welt gebracht. Wenn sie schon ein Herz voll Galle mit in die Gesellschaft bringen, so kann es ihnen freylich an Verdruß nicht fehlen. Wenn man die Wahrheit erforschen will, so muß man keine Vorurtheile mit sich bringen.

2) Figürlich. (a) Erfordern, nothwendig machen. Die Zeit bringt es so mit sich, die Umstände der Zeit erfordern es. Wie es die Mode mit sich bringt. Mein Amt brachte es mit sich,[1198] daß ich es thun mußte, es erforderte es. Die Sache hat es so mit sich gebracht.


Allein, weil es ihr Alter mit sich brachte,

Daß sie um Mitternacht erwachte,

Gell.


(b) Erwerben, erlangen und behalten; mit davon. Er hat den Sieg davon gebracht. Wir müssen aus der Welt und bringen nichts davon, können nichts mitnehmen. Schimpf und Schande, Lob und Ehre davon bringen.

3. Führen, leiten, begleiten, von Personen.

1) Eigentlich. Einen Missethäter in Verhaft, in das Gefängniß bringen. Wer wird mich wieder auf den rechten Weg bringen, wenn ich mich verirre? Jemanden nach Hause bringen, begleiten. Einen durch einen Wald bringen. Jemanden zu Bette, zur Ruhe bringen. Bringen sie doch ihren Freund zu uns.

2) Figürlich. (a) Zu etwas bewegen, besonders durch Gründe. Meine Vorstellungen brachten ihn zum Weinen. Der Himmel hat mir eine Wohlthat erwiesen, die mich vor Erkenntlichkeit zu Thränen bringt, Gell. Wozu bringen sie mich? Bringen sie mich nicht zur Verzweifelung. Deine Aufrichtigkeit bringt mich zu der äußersten Wehmuth. Ich habe ihr Blut in eine sanfte Wallung gebracht. Man kann ihn nicht aus dem Hause bringen, man kann ihn nicht bewegen, aus dem Hause zu gehen. Siehe doch zu, daß du ihn hierher bringest, daß du ihn bewegest, hierher zu kommen. Jemanden auf seine Seite bringen. Man kann nichts aus ihm bringen, man kann ihn nicht bewegen, etwas zu gestehen. Man wird ihn schon zum Geständnisse der Wahrheit bringen. Wie weit hast du sie durch deine Gründe gebracht? Jemanden in Zorn, in den Harnisch bringen.


Ein Mann, mein Kind, ist leicht in Zorn zu bringen,

Gell.


Jemanden zu etwas bringen, bewegen. Man kann ihn nicht zur Arbeit bringen. Einen zum Gehorsam, zur Vernunft, zu sich selbst, zur Reue, zur Erkenntniß bringen. (b) Veranlassen. Jemanden auf einen Gedanken bringen. Du bringest mich jetzt auf einen guten Einfall. Einen auf böse Gedanken bringen, Anlaß geben, daß böse Gedanken, d.i. ein Argwohn, in ihm entstehe. (c) Ursache seyn, daß einer Person etwas widerfahre, eine Person in einen gewissen Zustand versetzen. Jemanden an den Bettelstab bringen. Einen in Ansehen, zu Ehren, zu Gnaden bringen. Jemanden auf das Äußerste bringen, machen, daß er in die größte Verlegenheit gerathe. Jemanden wieder zu sich selbst bringen. Jemanden in die Rede, in anderer Leute Mäuler bringen, machen, daß von ihm geredet werde. Eine Person zu Falle bringen, im gemeinen Leben, sie entehren.

Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Ulphilas briggan, bey dem Kero pringan, bey Isidors Übersetzer bibringan, bey dem Ottfried bringan, bey dem Willeram bringon, im Nieders. brengen, im Dän. bringe, im Schwed. bringa, im Angels. bringan, im Engl. to bring. Es ist von den ältesten Zeiten an als ein unregelmäßiges Zeitwort bekannt. Bey dem Kero lautet das Imperf. keprahhot, bey dem Ottfried braht und brang, im Angels. brohte. Helwig und Wachter sind beynahe die einzigen, die es gewagt haben, an die Abstammung dieses Wortes zu denken; allein ihre Ableitung ist zugleich sehr unglücklich gerathen, indem sie auf das Griech. παρεχειν gefallen sind. Herr Ihre hält es für verwegen, die Quellen eines so alten Wortes aufzusuchen. Allein man darf sich dadurch doch nicht ganz abschrecken lassen. Das Anfangs-B ist auch hier, wie in so vielen andern Wörtern, das bloße Vorwörtchen be. Wenn man dieses[1199] absondert, so bleibt das Wort ringen übrig. Daß dieses ehedem wirklich für bringen gebraucht worden, erhellet aus Herrn Schelhorns Nachricht von einem alten Fränkischen Dichter in den krit. Beytr. Th. 1, wo es in einer S. 604 aus demselben angeführten Stelle heißt:


Si sprachen ringt unz unser schwär;


sie sprachen, bringt uns unser Schwert. Daß auch ringen nicht bloß luctari bedeutet habe, erhellet aus den verwandten Sprachen. Denn im Isländ. ist rigga bewegen, im Schwed. ringa die Glocken bewegen, und im Englischen to ring die Klingel anziehen. Wenn man nun ferner erwäget, daß bringen einige Tempora von einem andern Zeitworte entlehnet hat, welches rachen, raggen oder racken gelautet haben muß, so führet uns das auf das Verbum regen, Isländ. reka, Schwed. wräka; S. 2. Brack, Brachvogel und Brechen. Bringen würde also nach dieser Ableitung eigentlich bewegen, den Ort einer Sache verändern, bedeuten, und diese Bedeutung hat es auch wirklich. S. auch Regen, Ringen. Bey dem Pictorius bedeutet, bering, hurtig, behende. Die Substantiva die Bringung und der Bringer sind nur in einigen zusammen gesetzten Wörtern üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1196-1200.
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