Darin

[1397] Dārin und Darín, adv. demonstrat. relat. welches alsdann gebraucht wird, wenn in die dritte Endung zu sich nehmen sollte, für in diesem, in dieser, in demselben, in derselben. Es ist,

1. Ein Demonstrativum, und bezeichnet alsdann ein Seyn oder eine Gegenwart in einem Orte und Zustande, wobey es den Ton zugleich auf der ersten Sylbe hat. Denn es war da aufgericht das Vordertheil der Hütten, darinnen war der Leuchter u.s.f. Ebr. 9, 2. Darin sehe ich nichts. Darin hast du es versehen. Du betrogest dich darin, daß du glaubtest u.s.f. Die wahre Herzhaftigkeit bestehet darin, daß man sich über alle Zufälle erhebe, Sonnenf.

2. Ein Demonstrativo-Relativum, welches den Ton auf der letzten Sylbe hat, und gleichfalls ein Seyn in einem Orte oder Zustande bedeutet, so wohl eigentlich als figürlich. Es ist nichts darin. Ich habe es ja darin gesehen. Er hat ein Haus, aber er wohnet nicht darin. Das Zimmer ist gut, aber es sahe sehr unordentlich darin aus. Er hat sich so darin vertieft, daß er weder siehet noch höret.

Anm. 1. So wie aus bey diesem, durch dieses, an dieses, um dieses u.s.f. dabey, dadurch, daran, darum wird, so wird auch aus in diesem, darin. Es ist also keine begreifliche Ursache vorhanden, warum diese Partikel darinn, darinne, oder gar darinnen lauten sollte, so sehr auch diese Form nicht nur in der Deutschen Bibel, sondern auch bey den meisten neuern Schriftstellern üblich ist. Es siehet nicht gar zu ordentlich darinne aus, Gell. Es stehen solche artige Historien darinne, ebend. Hülfliche Hand darinnen zu leisten, Gottsch. Darinn ich selbst verstoßen hatte, ebend. Ich habe darinnen mein Glaubensbekenntniß abgeleget, ebend. Man kann diese Verlängerung mit nichts als mit der Oberdeutschen Weitschweifigkeit entschuldigen, die auch wohl darumme und darummen für darum zu sagen und zu schreiben pflegt. Hochdeutsche Schriftsteller sollten sich diesen Fehler niemahls zu Schulden kommen lassen. Indessen ist er schon alt; Ottfried gebraucht tharinne, der Verfasser des Siegesliedes auf den König Ludwig thorinne, der Verfasser des Gedichtes auf Carls des Großen Feldzug tharinne, tha inne.


Dar inne al min froide lit,


einer der Schwäbischen Dichter. Aber eben diese Schriftsteller gebrauchen auch das einfache inna, innan für in, welches doch noch kein Hochdeutscher nachgeahmet hat; denn das Nebenwort innen gehöret zunächst nicht hierher. Hierinnen, innehaben, innehalten, mitteninne u.s.f. haben eben diese fehlerhafte Verlängerung angenommen.

Anm. 2. Im Oberdeutschen ist es sehr gewöhnlich, diese Partikel wieder zu zerreißen.


Da was der Tod ynne,

Horn.


Als sy nun kamen in die stat

Da dieser Kempfer innen was,

Theuerd. Kap. 77.


Welches auch in der Deutschen Bibel sehr häufig vorkommt. Das Land, da du ein Fremdling innen gewesen bist, 1 Mos. 17, 8. Kap. 28, 4. Kap. 35, 27. Das Dunkele, da Gott inne war, 2 Mos. 20, 21. Ein Volk, da kein Rath innen ist, 5 Mos. 32, 28. Ein Land, da Öhl und Honig innen ist, 2 Kön. 18, 32. Cramer, ein Cöllner von Geburt, aber ein Nürnbergischer Sprachmeister, gibt dieses in seinem Deutsch-Italiän. Wörterbuche gar für eine Zierlichkeit aus. Im Oberdeutschen mag sie es seyn; im Hochdeutschen ist sie ein Fehler.

[1397] Anm. 3. Die jetzt aus der Deutschen Bibel angeführten Beyspiele haben über dieß noch den Fehler, daß darin in denselben bloß relative für worin gebraucht worden, welches noch in vielen andern Stellen geschehen ist. Alles Fleisch, darinnen ein lebendiger Odem ist, 1 Mos. 6, 17. Ephrons Acker, darinn die zwiefache Höhle ist, Kap. 23, 17. Und das Land, darinn sie Fremdlinge waren, Kap. 36, 7. Den Weg, darinnen sie wandeln, 2 Mos. 18, 20 und in andern Stellen mehr, wo überall worin hätte gebraucht werden sollen.

Anm. 4. Drin, oder gar drinnen, für darin, ist nur im gemeinen Leben üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1397-1398.
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