Ehr

[1648] Ehr, Genit. und Dat. Ehrn, Plur. Ehrn, ein größten Theils veralteter Titel, welcher heut zu Tage nur noch in einigen Kanzelleyen verschiedenen, besonders geistlichen Personen von Höhern gegeben wird, und weniger als Herr bedeuten soll. Ehr Johann – Pfarrer zu – Aber nicht allein geistliche, sondern auch weltliche Personen mittlern Standes bekommen zuweilen diesen Titel. So hieß es noch 1772 in einem Anschlage der Universität zu Halle: Von Königlicher Friedrichs-Universität allhier wird auf des Auctionator Ehrn Joh. Ge. Veists Ansuchen u.s.f.

Anm. Ehedem war dieser Titel auch von vornehmen, so wohl geistlichen als weltlichen Personen üblich, und wurde oft mit dem Worte Herr verbunden. Folgende Beyspiele führet Frisch an. Der erbar Herr Er Jost, Domherr, u.s.f. in Tenzels Goth. Chron. S. 306. Unser gnädiger Herr, Er Caspar, Bischof zu Meißen, in Schöttchens Wurz. Chron. S. 25. Er Albrecht von Lindenau Ritter, ebend. S. 26. Wir, Er Busse von Querfort, in Thuring. S. Auch im Niedersächsischen ist dieses Wort üblich, wie unter andern auch aus einer 1529 gedruckten Schrift erhellet, welche die Aufschrift hat: Grund und Orsake, worup Marquardus Schuldorp hefft syner Syster Dochter thor Ehe genamen, beweret dorch Ehrn Nicolaum Amsdorp – und Ehrn Martinum Luther. Der Ursprung und die eigentliche Bedeutung dieses Wortes ist noch nicht ausgemacht; doch scheinet es aller Wahrscheinlichkeit nach mit Herr und Herus aus Einer Quelle herzustammen, zumahl da in Lateinischen Urkunden Dominus für beyde gebraucht wird. Denn Frischens Meinung, Ehr bedeute einen Mann, zu welchem man seines Standes wegen Er gesagt habe, ist mehr ein witziger Einfall, als eine gründliche Ableitung. S. Er 1. 2. Im Niedersächsischen hat man außer diesem Worte Ehr, welches daselbst, so wie im Hochdeutschen, nur noch ein Titel der Kanzelleyen ist, noch das Wort Heer, welches von Herr so wohl in der Aussprache, als in dem Gebrauche eben so genau unterschieden wird, wie im Latein. Herus und Dominus. Das Gesinde auf dem Lande nennt daselbst seinen Haus- und Brotherren Heer, vornehmere Personen aber Herr. S. Ehre und Er.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1648.
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