Eingehen

[1702] Eingehen, verb. irreg. neutr. (S. Sehen,) welches das Hülfswort seyn erfordert. 1. Hinein gehen. 1) Eigentlich, vermittelst der Füße, in welchem Verstande es im Oberdeutschen noch häufig ist. Daher die biblische Ausdrücke, zu jemanden eingehen, zum Thore eingehen, zur rechten Thür eingehen, durch die enge Pforte zum Leben eingehen u.s.f. Da Jesus einging zu Kapernaum, Matth. 8, 5. Darum sind sie unter die Schatten meines Daches eingegangen, 1 Mos. 19, 8. Da Noah zu der Arche einging. Im Hochdeutschen ist diese Art zu reden veraltet, und man gebraucht dafür entweder hinein gehen, oder das einfache gehen mit dem Vorworte in, oder auch andere Zeitwörter. Doch sagt man noch im gemeinen Leben, bey jemanden aus- und eingehen, zu seinen Bekannten gehören, sein Haus fleißig besuchen. 2) Figürlich. (a) Hinein gebracht, hinein gethan, werden, in einigen Fällen. Eingehende Waaren, die in ein Land hinein gebracht werden, im Gegensatze der ausgehenden. Der Degen gehet schwer aus und ein, schwer aus der Scheide und in dieselbe. Was zum Munde eingehet, verunreiniget den Menschen nicht. Es sind noch keine Briefe, keine Nachrichten eingegangen, angekommen. Es gehet bey ihm zu einem Ohre ein, (besser hinein,) zu dem andern wider heraus.[1702] (b) nach einer noch weitern Figur, begriffen werden, in der vertraulichen Sprechart. Die Sprachen gehen ihm hart ein, gehen ihm schwer in den Kopf, werden ihm schwer zu erlernen. Dieser Punct ging ihm seht schwer ein, er war schwer dazu zu bewegen. Geht es gleich sauer ein, Opitz. Ingleichen, (c) bewilligen, seinen Willen zu etwas geben. Wir gingen die Werte ein, wir ließen uns die Wette gefallen. Das gehe ich niemahls ein. Aber ich werde den Vorschlag nicht eingehen. (d) In die Casse geliefert werden, von ausstehenden Geldsummen; eine Unterart der ersten figürlichen Bedeutung. Es gehet gar kein Geld ein, nehmlich in die Casse. Es gehet nichts ein. Die Schulden wollen nicht eingehen. So bald die Gefälle eingehen werden. S. Einkommen. (e) In etwas eingehen, in dem Kanzel- und Kathederstyl, es untersuchen, sich dabey aufhalten. Ohne in die Hauptsache einzugehen.

2. Einwärts gehen, in verschiedenen figürlichen Bedeutung. 1) Ein eingehender Winkel, angle rentrant, der von der Peripherie nach dem Mittelpuncte zu gehet, aber doch lieber ein einwärts gehender genannt wird. 2) Sich zusammen ziehen, im gemeinen Leben. Das Tuch gehet ein, wenn es naß wird. Es ist um eine halbe Elle eingegangen. S. Einkriechen. 3) Nach und nach einfallen, von Gebäuden. Das Haus gehet ganz ein. Er läßt die Mauer ganz eingehen. Nach einer noch weitern Figur, nach und nach aufhören, im gemeinen Leben. Ich will den Gerten eingehen lassen. Seine Handlung gehet ganz ein. Es sind viele Bäume in der letzten Kälte eingegangen; wofür doch ausgehen üblicher ist. Seine Wirthschaft gehet ganz ein. Der Seidenbau ist in dieser Gegend längst eingegangen. Aber:


Dein Gedächtniß bleibt, o Gott,

Und geht ewiglich nicht ein,


wie Opitz Ps. 135, singt, ist für die edle Schreibart zu niedrig. Ingleichen, für einstellen, unterlassen. Sie läßt drey bis vier Stunden von ihrer Andacht eingehen. Wir wollen die Bethstunde dieß Mahl eingehen lassen.

Anm. Das Verbale die Eingehung ist, wie bey den meisten Neutris, ungewöhnlich. Statt dessen ist Eingang üblich, doch nur so fern eingehen für hinein gehen gebraucht wird. Schon Kero gebraucht inkan und Ottfried ingan für hinein gehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1702-1703.
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