Eitel

[1778] Eitel, eitler, eitelste, adj. et adv. leer, der Gegenwart anderer Dinge beraubt. 1. Eigentlich, im physischen Verstande leer. So quement Romani ouh ubar thaz nement thaz lant allaz, ioh ouh thes giftizent, iz italaz lazent, über dieß werden alsdann auch die Römer kommen, das ganze Land besetzen,[1778] und sich befleißigen, es leer zurück zu lassen, Ottfr. B. 3, Kap. 25. Thie odegun alle firliaze er itale, die Reichen alle ließ er leer, ebend. B. 1, Kap. 7; welches auch bey dem Tatian Kap. 3, heißt Otage forliez itale. De ydele wagen sal rumen dem geladenen, der leere Wagen soll dem geladenen ausweichen, im Sachsensp. und den Goslar. Statuten. Wenn jemand eines andern Sacke idel edder full van der Moclen foerer, in den Brem. Statuten. In dieser eigentlichen Bedeutung kommt es nur noch hin und wieder in den gemeinen Mundarten vor. Es ist mir so eitel in dem Magen, sagt man im Oberdeutschen, wenn man eine unangenehme Leere in demselben empfindet. Das Brot eitel essen, im Oberdeutschen, es leer, ohne Butter essen. 2. Figürlich. 1) Aller andern Dinge oder Prädicate entblößet, für lauter. Bey eytler vinster Nacht, Theuerd. Kap. 29. Eitele Butter, eiteles Brot, eiteles Fleisch essen, lauter Butter, Butter allein u.s.f. essen, ohne Brot essen, in den gemeinen Mundarten Oberdeutschlandes. Am häufigsten wird es in dieser Bedeutung so wohl im Niedersächsischen als Oberdeutschen als ein Nebenwort für nichts als gebraucht, welches sich noch häufig in der Deutschen Bibel findet. Die machten beyde Isaac und Rebecca eitel Herzeleid, 1. Mos. 26, 35. Und war eitel Segen des Herren in allem, Kap. 39, 5. Esset eitel ungesäuert Brot, 2. Mos. 12, 20. Da eitel Dürre und kein Wasser war, 5 Mos. 8, 15. Es ist eitel Boßheit unter ihrem Haufen, Ps. 55, 16. Es ist eitel nichts und ein verführisch Werk, Jer. 10, 15. Und so in vielen andern Stellen mehr. Ihn träumt von eitel Rache, Uz. Allein in der guten Schreibart der Hochdeutschen ist es veraltet. 2) Im moralischen Verstande leer, leer an Gründlichkeit, an Wahrheit, an Dauer, an Nutzen. (a) Leer an Gründlichkeit und Wahrheit. Es ist ein eiteles Gedicht, ein leeres Gedicht, eine bloße Erdichtung. Ein eiteles (grundloses,) Geschwätz. Eine eitele (ungegründete,) Hoffnung. Ihre Götzen sind Wind und eitel, Es. 41, 29. Und weichet nicht dem Eiteln nach, denn es nutzet nicht, und kann nicht erretten, weil es ein eitel Ding ist, 1 Sam. 12, 21. Wie habt ihr das Eitel so lieb, und die Lügen so gern? Ps. 4, 3; wo es in der Michaelischen Übersetzung heißt: wie lange wollt ihr leere Erdichtungen lieben? Auch in dieser Bedeutung wird es in der anständigern Schreibart der Hochdeutschen wenig mehr gebraucht. (b) Leer an Dauer, vergänglich, welche Bedeutung auch in der edlen Schreibart noch gangbar ist. Es ist alles eitel. So lange du das eitle Leben hast, Pred. 9, 9. Denn alles was ihm begegnet ist eitel, Kap. 11, 18. Eitele (vergängliche,) Freuden, eitele Schönheit, eitele Wollüste. Eitele (zeitliche, vergängliche,) Ehre, welche nur von kurzer Dauer ist. Eitler Ruhm u.s.f. In welchem Verstande ital Ruam schon bey dem Kero vorkommt. (c) Leer an wahrem Nutzen, unnütz, vergeblich. Thaz fin tod ubaral ni uuese in uns so idal, daß sein Tod an uns keinesweges vergebens sey, Ottfr. B. 3, Kap. 36. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, 1 Cor. 15, 17. Eitele, brotlose Künste, die keinen wahren Nutzen bringen. Mache dir nicht solche eitele (vergebliche,) Gedanken. (d) Leer an Tugend, leer an Frömmigkeit, lasterhaft; doch nur in einigen Stellen der Deutschen Bibel. Ich sitze nicht bey den eiteln Leuten, ich habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen, Ps. 26, 4; wo es bey Michaelis heißt: ich sitze nicht bey denen die Böses thun. 3) Neigung zu eiteln Dingen habend, so fern eitel, leer an Gründlichkeit, Dauer und bleibendem Nutzen bedeutet, als eine Fortsetzung der vorigen Figur. So nennet man eine Person eitel, wenn sie dem Putze, der Eigenliebe, dem Lobe mehr ergeben ist, als diese Dinge es[1779] werth sind, und als der Wohlstand es erfordert. Sie ist sehr eitel, sie ist dem Putze zu sehr ergeben. Ingleichen, diese Neigung an den Tag legend, darin gegründet. Ein eiteler Anzug, eine eitele Kleidung, ein eiteles Betragen.

Anm. Eitel ist, wie aus dem vorigen erhellet, ein Wort, welches sich so wohl in der eigentlichen, als figürlichen Bedeutung schon bey unsern ältesten Schriftstellern findet. Im Angels. lautet es idel, aidlige, aydlige, im Nieders. Holländ. Schwed. und Dän. idel. Das Nieders. bedeutet über dieß auch flüchtig, munter, lebhaft. Im Engl. ist idle müßig. Das Zeitwort aritalen gebraucht Tatian als ein Neutrum für dumm, kraftlos, unbrauchbar werden, von dem Salze; aber bey dem Isidor heißt es so viel als erniedrigen, und wird daselbst von Christo gesagt. S. Vereiteln. Ihre hält das Wallisische eidil, dünn, geschlank, für das Stammwort des Beywortes eitel; wenn es aber so viel als lauter, nichts als, bedeutet, soll es von dem Schwed. Id, ein Werk, Geschäft, und ida, handeln, wirken, bewegen, abstammen; allein dieser Unterschied ist unnöthig und ein wenig zu spitzfindig. Beyde Bedeutungen lassen sich vermittelst der Ableitungssylbe -el ganz bequem von einem einzigen Stammworte ableiten, welches das Wort öde zu seyn scheinet, S. dasselbe. Das Griech. υΘλος, Possen, ευτελες, schlecht, geringe, und das Latein. futilis, sind wenigstens dem Klange und der Bedeutung nach mit diesem Worte verwandt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1778-1780.
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