Empfangen

[1797] Empfangen, verb. irreg. act. S. Fangen. 1. Eigentlich, in seine Verwahrung bekommen, von einem andern an sich nehmen. Geld empfangen. Ich habe das Geld noch nicht empfangen. Wir haben die Waaren bereits empfangen. Einen Theil von der Beute empfangen. Almosen, seinen Sold, seinen Theil empfangen. Empfangene Wohlthaten läugnen. Briefe empfangen. Ein Lehen empfangen. Das heilige Abendmahl empfangen. S. Bekommen und Erhalten, welche einige Bedeutungen mit diesem Worte gemein haben. 2. Figürlich. 1) Oft auch von solchen Dingen, die einem Gegenstande von außen widerfahren, wenn er sich gleich leidend dabey verhält. Einen Befehl empfangen. Vergebung der Sünde, die heilige Taufe, den heiligen Geist empfangen, u.s.f. Eindrücke von außen empfangen. Freylich findet dieser Gebrauch nur in einigen bereits eingeführten Fällen Statt, weil das Zeitwort bekommen in dieser Bedeutung üblicher ist. Indessen wird empfangen so wohl in der Deutschen Bibel, als auch im Oberdeutschen noch häufig in solchen Fällen, selbst von leblosen Körpern gebraucht, wo man sich im Hochdeutschen lieber des Zeitwortes bekommen oder eines andern Ausdruckes bedienet. Die Erde, die deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen, 1 Mos. 4, 11. Wenn die Erde den Samen empfängt, 4 Esr. 9, 34. Die Verdammniß empfangen, Matth. 23, 14; Luc. 20, 47. Vierzig Streiche empfangen, 2 Cor. 11, 24. Von solchen Veränderungen, die sich aus dem Innern eines Dinges selbst entwickeln, ist nur allein bekommen, niemahls aber empfangen üblich. Blätter, Laub, die Blattern, das Fieber bekommen u.s.f. 2) Einen Ankommenden bewillkommen, ohne Rücksicht auf die Art und Weise. Jemanden mit vieler Ehrerbiethung, mit großer Pracht empfangen. Der Landesherr wurde von der Obrigkeit vor der Stadt empfangen. Er empfing mich mit offenen Armen aber weinenden Augen. Jemanden kaltsinnig, mit Vorwürfen, mit Schlägen empfangen. 3) Schwanger werden, so wohl als ein Activum, als auch als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. Die Frau hat empfangen. Von jemanden empfangen. Das Kind ist von seiner Mutter empfangen worden. In der anständigern Sprechart gebraucht man dieses Zeitwort auch von den Thieren; im gemeinen Leben aber sind dafür die Zeitwörter ansetzen, aufnehmen, zukommen u.s.f. üblich.

Das Hauptwort die Empfangung wird wenig gebraucht, weil dafür Empfang und in der letzten Bedeutung Empfängniß eingeführet sind.

Anm. Die erste Sylbe dieses Wortes hat mit der ersten Sylbe in empfahen einerley Schicksale gehabt. Kero gebraucht antfangan, Notker und Ottfried aber wechselsweise infangan und intfangan;[1797] die heutige Form ist neuer. Empfangen ist vermuthlich nach dem Muster des Lat. accipere und concipere gebildet worden. S. Ent- und Fangen. Im Niedersächsischen der vorigen Zeiten kommt auch untfangen vor. In eben dieser Mundart bedeutete entfangen ehedem auch Feuer fangen, in Brand gerathen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1797-1798.
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