Entgehen

[1823] Entgehen, verb. irreg. neutr. (S. Gehen,) welches das Hülfswort seyn zu sich nimmt, von einem Orte weggehen, sich von einem Orte entfernen. In dieser eigentlichen, aber veralteten Bedeutung, kommt iugan für abire, weggehen, bey dem Ottfr. vor. Im Hochdeutschen gebraucht man es noch, 1) figürlich, in den Redensarten: die Kräfte sind ihm entgangen, er hat seine Kräfte verloren; der Athem entgehet mir; wenn einem Mann im Schlafe der Same entgehet, 3 Mos. 15, 16. Er lässet sich nicht leicht einen Vortheil entgehen. 2) In engerer Bedeutung,[1823] einer unangenehmen Sache ausweichen. Einem Übel entgehen. Einer großen Gefahr entgehen. Dem Feuer kann man wohl entgehen, aber nicht so leicht dem Wasser. Gottes Händen kann niemand entgehen. Er ist der Strafe entgangen, hat ein Mittel gefunden mit der Strafe verschont zu werden.

Anm. Bey dem Ottfried lautet dieses Wort ingan und intgan, im Nieders. untgaan. Veraltete, oder doch im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutungen sind: 1) Nicht entgehen können, nicht umhin können, im Oberdeutschen. 2) Nicht umhin können zu gestehen, einzuräumen.


Ich aber sage dieß, daß niemand kannt entgehen,

Daß diese That doch nicht unmöglich könne seyn,

Opitz.


3) Vor Gerichte frey gesprochen werden, sich einer Anklage entledigen, im Nieders. Mit seinem Eide entgehen, sich los schwören. 4) Ausgleiten.


Es sollten bald die Füße mir

Durch falschen Tritt entgangen seyn,

Opitz.


Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1823-1824.
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