Er (2)

[1847] 2. Er, das persönliche Pronomen der dritten Person im männlichen Geschlechte, welches im Singular auf folgende Art abgeändert wird:

Nom. Er.

Genit. Seiner.

Dat. Ihm.

Accus. Ihn.

Von dem Plural, der allen drey Geschlechtern gemein ist, S. Sie.

Eigentlich ist dieses Pronomen ein beziehendes, welches alle Mahl auf eine vorher genannte Person oder Sache männlichen Geschlechtes deutet, und sich am liebsten zu Zeitwörtern gesellet. Was macht dein Bruder? Antw. Ich weiß nicht, was er macht. Wäre ich doch auch so glücklich wie er! Der Acker ist fruchtbar; allein er liegt mir zu weit. Wenigstens kann die dritte einfache Person der Zeitwörter, wenn sie männlichen Geschlechtes ist, dieses Pronomen nicht entbehren, es müßte denn durch ein anderes Nennwort unnöthig gemacht werden. Er schlägt. Er liebt. Er ging nach Hause. Wir suchten unsern Freund, allein wir fanden ihn nicht. Er bath mich, ich möchte mich seiner annehmen. Wenn mehrere Zeitwörter in der dritten Person zusammen kommen, kann es auch zuweilen verschwiegen werden. Tiren sagte, er wohne auf dem Lande, sey ein Schäfer und brauchte keinen Puder. Den Ton hat dieses Fürwort nie, außer wenn es denselben wegen eines besondern Nachdruckes erfordert. Er hat es gesagt, ér, und niemand anders. Er, dem ich so viele Wohlthaten erwiesen habe, ward mein Feind. Der Genit. seiner wird im Oberdeutschen und in der höhern Schreibart gern in sein abgekürzet. Erbarmen sie sich doch sein. Zuweilen kann dieses Pronomen auch als ein Hauptwort gebraucht werden.


Mein ander Ich ist todt; o ich, sein ander Er,

Ich wünschte, daß ich er, er aber ich noch wär,

Logau.


Von der Verwechselung dieses Fürwortes mit dem Reciproco sich, S. Sich.

Als man vor einigen Jahrhunderten anfing, diejenigen Personen männlichen Geschlechtes, welchen man Achtung schuldig zu seyn glaubte, nicht mehr du und ihr, sondern er zu nennen, so ward aus diesem eigentlich demonstrativo-relativen Pronomine wirklich ein persönliches. Es verdiente untersucht zu werden, wenn und bey welcher Gelegenheit das du und ihr von demselben verdränget worden. Da endlich auch dieses er nicht mehr hinlänglich schien, und man statt dessen die dritte vielfache Person einführete, so bedienet man sich des er jetzt nur gegen geringere Personen, die man aber doch höher achtet, als daß man sie mit ihr und du anreden sollte. Guter Freund, was macht er da? Unter den Landleuten, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes,[1847] wo die modische Höflichkeit noch nicht hingekommen ist, ist das er noch das einzige bekannte Pronomen, höhere und vornehmere Personen anzureden.

Anm. Bey dem Übersetzer Isidors lautet dieses Wort ir, bey dem Ottfried er, bey andern Oberdeutschen Schriftstellern her. Die Nieders. und die damit verwandten Mundarten verbeißen das r, behalten aber dafür das h, wie das Nieders. he, das Angels. und Engl. he, das Holländ. hy, das Dän. han, und das Schwed. han. Bey dem Oberdeutschen Pöbel lautet es gar nur a oder ä. Dieses er, und das Pronomen der scheinen der Abstammung nach genau mit einander verwandt zu seyn. Unter den Schwäbischen Kaisern wurden er, sie, es sehr häufig nicht nur für derselbe, dieselbe, dasselbe gebraucht,


Er sundet swer des niht geloubet,

Kais. Heinrich


Ir stirbe twerre mer die niht minnent,

Burggr. von Kilchberg;


sondern auch für den bloßen bestimmten Artikel,


Si selig wib enspreche sinc

Niemer me gesinc ich liet,

Reinmar der Alte.


Si reiner hort des hat si pris,

Hadloub.


S. 1 Der 4. und das folgende – Er II. Im alten Schwed. und Isländ. bedeutet aer welcher, und alsdann ist es eine unveränderliche Partikel. Sa er, derjenige welcher, their er, diejenigen welche. Noch deutlicher erhellet diese Übereinstimmung, wenn man das Nieders. he mit dem Hebr. הרא, ille, dem Pers. ein, an, dem Wallis. hwn, hon, hyn, und yn, und dem Slavonischen on, ona, ono, ille, illa, illud vergleicht. S. 1 Er. Wer, Hahn, Ihr, Sie, Es.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1847-1848.
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