Erziehen

[1960] Erziehen, verb. irreg. act. S. Ziehen. 1. Durch Ziehen bewegen, doch nur im Oberdeutschen, und im gemeinen Leben. Die Pferde können den Wagen nicht erziehen. Der Glöckner kann die Glocken nicht erziehen. 2. Aufziehen, groß ziehen, den Wachsthum eines Dinges befördern, in figürlicher Bedeutung, und von Menschen, für das niedrigere aufziehen und Oberdeutsche auferziehen. 1) Nicht nur durch Reichung der Nahrungsmittel den körperlichen Wachstum eines Kindes befördern, sondern auch dasselbe durch Unterricht zur Erwerbung seines Unterhaltes geschickt machen. Er ist nunmehr erzogen, hat das gehörige Wachstum erreichet. Unerzogene Kinder, welche noch nicht die gehörige Größe erreicht haben. Ich bin hier geboren und erzogen. Wir sind zugleich erzogen worden. Ältern müssen ihre Kinder selbst erziehen. 2) In engerer Bedeutung, die Sitten, das Herz, den Geist eines Kindes[1960] bilden. Ein wohl erzogener junger Mensch. Schlecht erzogene Kinder. Unerzogene Kinder, deren Sitten schlecht gebildet worden. An einem solchen Thoren lässet sich nicht viel Ehre erziehen, d.i. durch die Erziehung erwerben. Besonders wird das Hauptwort die Erziehung in diesem Verstande gebraucht. Die Gewohnheit wird durch die Erziehung verändert. Seinen Kindern eine gute Erziehung geben. Er hat eine gute, eine schlechte Erziehung gehabt. Zuweilen wird es auch für gute Erziehung gebraucht. Er hat keine Erziehung, er ist schlecht erzogen worden.

Anm. Erziehen, bey dem Ottfried und Willeram irziehan, ist nach dem Lateinischen educare gebildet. Kero gebraucht das einfache zechan für ernähren, und Notker ziehen für erziehen. Für Erziehung in der ersten, meist physischen Bedeutung, ist bey dem großen Haufen noch das Hauptwort die Ziehe üblich. Ein Kind in die Ziehe geben, es andern zur Erziehung geben.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1960-1961.
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