[1964] Ês, ein Pronomen, welches im Deutschen in einer dreyfachen Gestalt üblich ist.
I. * Als ein persönliches Fürwort, welches aber nur allein den gemeinen Oberdeutschen Mundarten bekannt ist, da es so wohl in der einfachen als mehrern Zahl unverändert bleibet, und in solchen Fällen gebraucht wird, wo man andere Personen nicht gern mit du und ihr, aber auch nicht gerne mit er, sie, und im Plural mit sie anreden will. Es wird alsdann gern mit dem Verbo zusammen gezogen. Kommt es ein wenig her, oder kommts ein wenig her, welches so wohl komm du, als komm er, komm sie, oder kommt ihr bedeuten kann. Hohlts mir das. Gehts fort. Habt es, oder habts noch nichts gesehen? habt ihr noch nichts gesehen?
Davon ist der Trost enwicht
Den es tzu im haben welt,
der Trost ist entwichen, den ihr zu ihm haben wollet, in dem alten Gedichte bey dem Eckard, Th. 2, Script. S. 1556. Alles dez es seit entsetzet, alles dessen seyd ihr entsetzet, ebend. S. 1553. Frisch, der diese beyden Stellen anführet, glaubt, daß es nur allein für ihr gebraucht würde. Allein es kommt im Oberdeutschen auch häufig in der zweyten Person vor, doch nur alsdann, wenn man jemanden aus Achtung nicht gern mit du anreden will, ihn[1964] aber auch noch nicht für vornehm genug hält, ihn er oder sie zu nennen. Auf ähnliche Art pflegen einige Hochdeutsche das Wort man so wohl für die einfache, als mehrere Zahl zu gebrauchen. Man komme ein wenig her. Man gebe mir das. Hat man noch nichts gehöret? für hast du, hat er, habt ihr. Indessen scheinet unser es doch zu dem Lat. vos, bey dem Ulphilas izwus, zu gehören, zumahl da dieses vos in der Römischen gemeinen Sprache auch für du gebraucht wurde, welchen Gebrauch die davon abstammenden Ital. Franz. und andere Sprachen noch behalten haben.
II. Als ein Demonstrativum, für das, dieses und dasjenige.
1) Eigentlich, wenn das darunter verstandene Hauptwort ungewissen Geschlechtes ist, aber noch häufiger für alle Geschlechter, und so wohl für Hauptwörter der einfachen als der mehrern Zahl; welches vermuthlich daher rühret, weil es, so wie das Neutrum das, ein sehr unbestimmtes Ding bedeutet, ein Etwas, in aliquid. Es ist kein gutes Kind, welches seinen Ältern nicht gehorsam ist. Es ist noch nicht Liebe, wenn man dem andern Gutes wünschet. Das ist es eben, was ich will, das ist eben dasjenige, was ich will. Er ist es, der sich hat verlauten lassen, er ist derjenige. Es ist seinen erste Liebe, für das, oder dieses ist. Es sind eben dieselben Männer, welche wir gestern sahen. Es sind nur Kinder. Es ist geschehen des ich ie bat, Walth. von der Vogelweide. S. auch Er, welches auf ähnliche Art für dieser, derjenige gebraucht wird, und ehedem in dieser Gestalt noch häufiger war. Er sundet wer des niht geloubet, Kaiser Heinrich, für derjenige sündiget u.s.f.
2) Eine sehr wichtige Rolle spielet dieses Demonstrativum vor der dritten Person der Zeitwörter, die dadurch zu unpersönlichen Zeitwörtern werden. Es druckt auch hier ein sehr unbestimmtes Ding aus, und wird gebraucht, wenn man unentschieden lassen will, ob das wirkende Ding oder auch nur das Subject eine Person oder Sache ist. Es donnert. Es regnet. Es frieret. Es schneyet. Was gibt es? Da gibt es guten Wein.
O klage nicht,
Es gibt noch edle Seelen,
Gell.
Ey, es läßt sich auch noch spaßen. Es kostet mir nur ein Wort. Wenn es zum Bezahlen kommen wird. Es hat mir hier nicht gefallen. Wo der Begriff der wirkenden Ursache oder des Subjectes oft ganz verschwindet. Besonders mit den Verbis seyn und werden. Es ist nun an dem. Es ist um mich geschehen. Es sind kaum drey Wochen. Es war einmahl ein Mann. Es ist kein Wunder. Es ist nicht anders, als wenn ich ihn sähe. Es wird Ernst. Es wird kalt. Wo oft die nähere Bestimmung des Subjectes nachfolget, welches auch bey denjenigen unpersönlichen Zeitwörtern Statt findet, welche als Reciproca ausgedruckt werden. Es frieret mich, mich frieret. Es fragt sich, ob u.s.f. Da es vor den eigentlichen Impersonalibus ein nur sehr unbestimmtes Ding ausdruckt, so sind diejenigen Fälle, wo dasselbe Statt haben muß, von denen, wo man stehen muß, sehr leicht zu unterscheiden. Das letztere bezeichnet das wirkende Ding schon näher, und deutet an, daß es ein Mensch ist, ob es gleich die nähere Art unbestimmt lässet. Man schießet. Man klopft. Man sagt. Man fragt. Hieraus erhellet zugleich, warum diese Impersonalia, welche im Activo das man bekommen, im Passivo wieder das unbestimmtere es annehmen. Es wird geschossen, geklopft, gesagt, gefragt.
[1965] 3) Der Gebrauch dieses es erstreckt sich aber noch weiter, indem dieses Pronomen sehr häufig dem Verbo vorgesetzet wird, wenn gleich das Subject genau bestimmt wird. In diesem Falle bekommt das letztere seine Stelle hinter dem Verbo. Es lebe der Kaiser! für: der Kaiser lebe! Es spiele wer da will. Es spricht der Unweisen Mund, für: der Unweisen Mund spricht. Es wolle uns Gott gnädig seyn. Es klopft jemand. Es geht mir alles nach Wunsche. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Es scheinet, daß diese Art zu reden keine andere Absicht habe, als dem ganzen Ausdrucke seine Ründe und Vollständigkeit zu geben, wenn derselbe ohne diese Art von Erweiterung zu abgebrochen und kurz seyn würde. Daher kann dieses es zuweilen auch ausgelassen werden. Nichts ist unmöglich, wenn Gott es will, für, es ist nichts u.s.f.
Kein Alp, kein Rübezahl spükt mehr,
Und keine Drachen ziehn,
Weiße,
für, es spükt kein Alp mehr u.s.f. Die Älteren trieben diese Auslassung noch weiter, und gebrauchten sie auch in solchen Fällen, wo die Ründe der Rede unläugbar leidet. Si uuort sinas, Ottfried, es sey sein Wort.
Dieses ganze Demonstrativum hat nur allein den Nominativ.
III. Als ein Demonstrativo-Relativum, welches sich auf ein vorher gehendes oder nachfolgendes Subject beziehet. Es beziehet sich aber,
1) Auf ein Wort ungewissen Geschlechtes, da es denn im Genit. seiner, im Dat. ihm, im Accus. es, hat, und im Plural von dem Pronomine sie vertreten wird; S. diese Wörter. Nimm hin das Kleid, ich schenke es dir, oder schenke dir es. Das Haus ist schön, aber es ist auch theuer. Das Gewitter wird bald herauf kommen, es stehet schon dort. Da kam ein artiges Mädchen, erst sprach es so freundlich, hernach entfloh es; aber ich lief ihm nicht nach. Dieses ist nicht Freundschaft, es ist Kaltsinn. Das arme Kind; es hat nichts zu essen, nimm dich doch seiner an. Sie machen alles noch ärger, als es ist. Wenn das Neutrum eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechtes bezeichnet, so können statt es auch die Fürworter er oder sie stehen. Das arme Hannchen! Nein, ich wollte darauf wetten, sie hat dich stets lieb gehabt, Weiße. Dieses es bestimmt so genau, als die Fürwörter das und dasselbe, deren Stelle es vertritt. Wenn also gefragt wird: Hast du das Geld? So antwortet man ganz richtig: ich habe es. Allein, auf die Frage: Hast du Geld? muß geantwortet werden: ich habe Geld, oder, ich habe welches; so wie man auf die Frage: Kennen sie diesen Mann? antwortet: ja, ich kenne ihn.
2) Sehr oft beziehet sich es auch auf Hauptwörter von allen Geschlechtern und in allen Zahlen, und da scheinet es wieder in seine unbestimmte Bedeutung zurück zu treten, da es ein Ding überhaupt bedeutet. Alsdann ist es auch nur in der ersten und vierten Endung üblich. Wer ist das? Antw. Es ist ein Mann, eine Frau; es ist mein Mann, meine Frau. Es sind Männer. Männer sind es. Seyd ihr die Frau? Ja, ich bin es. Wenn es doch mein Bruder wäre. Er ist Herr Wenzel und wird es auch wohl bleiben. Ich kenne ihn zwar nicht; aber es soll ein guter Mann seyn. Ich bin ein Mensch, du bist es auch. Wenn man eine gute Hausmutter werden will. Ja wenn ich es schon wäre. Wenn aber die Umstände der Rede keine so unbestimmte Bezeichnung leiden, so muß statt dieses Fürwortes ein bestimmteres gesetzet werden. Aber von den Früchten des Baumes[1966] hat Gott gesagt: esset nicht davon, rühret es auch nicht an, 1 Mos. 3, 3; wo billig sie stehen sollte. Darum bin ich auf Blumen verfallen, weil es jetzt eine Rarität ist, ist eben so unrichtig. Dieses ist vermuthlich auch die Ursache, warum dieses es keine Präpositionen vor sich leidet, weil diese das Subject schon zu genau bestimmen, als daß dasselbe durch es ausgedruckt werden könnte. Daher fällt das Unrichtige in der Stelle Lichtwehrs, was um es stund, nehmlich um das Schaf, sogleich in das Gehör.
3) Noch öfter beziehet sich dieses Wörtchen auf ein Adverbium, oder auf einen ganzen Satz, er mag vorher gehen, oder nachfolgen, doch immer noch auf die schon mehrmahls gedachte allgemeine oder unbestimmte Art. Auch hier kommt es nur in der ersten und vierten Endung vor. Er sagt, er sey unschuldig, er könne es beweisen. Bedenk es nur, mir so mitzuspielen. Er soll es gewiß noch fühlen. Das ist es alles, womit ich seine Zärtlichkeit belohnen kann. Es sey auch was es wolle. Sie sollen es sehen, daß man es ihnen noch Dank wissen wird. Glauben sie es denn? Ich kann es errathen, was dich kränkt. Ich habe Unrecht, ich gestehe es. Ich ließe es mir gefallen, wenn er kommen wollte. Ich möchte es doch versuchen. Sage mir es. Du weißt, daß ich das nicht leiden kann, und doch thust du es. Mein Herz sagt es mir, du bist mein Erretter. Wenn das Subject, worauf sich dieses Wörtchen beziehet, nachfolget, so kann es auch als ein bloßes Demonstrativum angesehen werden. Oft kann für das unbestimmte es auch das mehr bestimmte das gesetzet werden, welches zuweilen um des Nachdruckes willen geschiehet. Was hilft mir das jetzt? Für, was hilft es mir jetzt? Das habe ich gedacht, für, ich habe es gedacht. Das glaube ich nicht. Du littest das? Ich weiß das besser.
4) Oft ist kein Subject vorhanden, worauf sich dieses Wörtchen beziehen könnte, und da bezeichnet es überhaupt ein unbestimmtes und allgemeines Etwas und wird in verschiedenen elliptischen Redensarten gebraucht. Du hast es gut. Er macht es gut. Niemand darf sich unterstehen, es mit ihm aufzunehmen. Er macht es mir zu bunt. Ich halte es mit dem Tage. Wir wollen es dabey bewenden lassen. Er meint es gut. Ehedem war dieser Gebrauch noch häufiger, und da stand es oft wirklich überflüssig.
Wanta allaz thaz sie es thenkent
Sie es al mit Gote wirken,
denn alles, was sie denken, das wirken sie mit Gott, Ottfried B. 1, Kap. 1, V. 209.
Anm. 1. Es ist hier noch bey weitem nicht alles gesagt worden, was von diesem Wörtchen, welches im Deutschen von einem überaus großen Gebrauche ist, gesagt werden könnte. Indessen erhellet schon aus diesem wenigen, wie schlecht dasselbe unsern meisten Sprachlehrern bekannt gewesen. Die meisten kennen kein anderes, als das persönliche es, und doch haben sie von dem Oberdeutschen Gebrauche, der es allein zu einem wahren persönlichen Fürworte macht, wie es scheinet, nicht die geringste Kenntniß gehabt. Wenn alle diejenigen Fürworter, welche Personen bezeichnen, oder sich auf Personen beziehen, persönliche Fürwörter heißen sollen, so können dieser, derselbe, derjenige, welcher, wer u.s.f. mit noch mehrerm Rechte dahin gerechnet werden, als es, indem dieses nur ein unbestimmtes Ding überhaupt ausdruckt. Eine Sprachlehrer haben auch das[1967] Reciprocum es. Allein, da diese reciproke Bedeutung nur das seiner und sich betrifft, welche richtiger als eigene Fürworter angesehen werden, so ist dasjenige, was von ihnen gesagt werden kann, unter ihren Artikeln aufzusuchen. S. auch Ihm und Ihn.
Anm. 2. Dieses Wörtchen kann mit allen vorher gehenden Wörtern zusammen gezogen werden, wo der Wohlklang es erlaubet, und in den vertraulichen und gemeinen Sprecharten geschiehet solches sehr häufig. Gib mirs, für gib mir es. Ich sage dirs. Glaubt sies? Er nahms und gabs mir. Ists auch wahr? Wenn wirs nur wissen. Habe ichs schon? Du hasts gehöret. Ich wollts ihm besser sagen. Billig vermeidet man diese Zusammenziehung, wenn dadurch eine unangenehme Härte verursachet wird. Hernach beschönigst dus, Gottsched. Damits die Jugend lerne, Günth.
Der Schlaue hätts nicht thun, und dus nicht glauben sollen,
Gell.
Wo der Wohlklang gar sehr leidet.
Anm. 3. Es lautet bey dem Kero iz, bey dem Übersetzer Isidors izs, bey dem Ottfried iz und es, im Niedersächsischen et, het, idt, im Angelsächsischen hit, hyt, im Engl. it, im Dänischen det, im Schwedischen thet. Es ist sehr glaublich, daß es mit dem Artikel des ungewissen Geschlechtes das sehr genau verwandt ist, als welcher durch das vorgesetzte d nur eine nähere Bestimmung erhalten hat, dagegen es nur ein allgemeines unbestimmtes Ding ausdruckt. Auch das Lateinische id gehöret hierher, ob es gleich einen weit eingeschränktern Gebrauch hat. Die Endung -es, an dem ungewissen Geschlechte der Beywörter, wenn sie ohne Artikel, oder mit dem Artikel ein stehen, ist auch kein anderes Wort als unser es. Keines, eigentlich kein Ding, gutes, gut Ding, jedes u.s.f. S. auch Nichts und Etwas; so wie die Endung -er im männlichen, und die Endung -e im weiblichen Geschlechte, aus er oder der und sie oder die verkürzet sind.
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro