[243] Fordern, verb. reg act. 1) Eigentlich, auf eine gebiethende Art verlangen, daß sich jemand an einem Orte einfinde, gegen Personen, über welche man ein Recht hat, oder zu haben glaubt. So läßt ein Herr seine Unterthanen zusammen fordern; der Richter läßt die Parteyen vor Gericht, der Kläger seinen Gegentheil fordern; der Beleidigte fordert den Beleidiger zum Duell, oder fordert ihn heraus u.s.f. Darumb hab ich euch vordren lan, Theuerd. Da forderte Pharao die Weisen und Zauberer, 2 Mos. 7, 11. Ich habe ihn fordern lassen, d.i. vor Gericht. Jemanden vor die Klinge fordern, ihn zum Duell auffordern. Er hat mich gefordert, d.i. er hat mich heraus gefordert, zum Duell aufgefordert. So absolute ist dieses Wort nur noch im gemeinen Leben üblich. In der anständigern Schreibart bestimmet man den Ort, wohin man jemanden fordert, näher; seinen Gegner vor Gericht fordern, vor die Klinge fordern, die Bürger auf das Rathhaus fordern u.s.f. Sollte es auch nur durch ein Nebenwort seyn; einen heraus fordern, zum Duell, die Unterthanen zusammen fordern u.s.f. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung, die Leistung einer Pflicht, oder einer Sache, die man als eine Pflicht betrachtet, verlangen. 1) Durch Worte. Seinen verdienten Lohn fordern. Sein Geld fordern. Ein Licht fordern. Recht fordern. Wie viel fordern sie dafür? Er forderte zehen Thaler. Du forderst zu viel. Er hat nichts an mir zu fordern. Sie fordern sehr zutraulich, daß ich wieder gut machen soll, was sie verderbt haben. Fordert er mein Leben zurück, langsam oder schnell, warum sollte ich zagen? Gell. Rechenschaft von einem fordern. Ich werde sein Blut von deiner Hand fordern, ich werde deßhalb Rechenschaft von dir fordern. Ich fordere es von dir. 2) Durch sein Betragen, mit dem Gemüthe, in Gedanken fordern. Sie fordert, daß Personen von Stande ihren Reichthum höher als die Geburt schätzen sollen. Die Tugend des Demüthigen gefällt uns, weil sie keine Unterwürfigkeit von uns fordert, die sie doch fordern könnte, Gell. Der Stolze fordert von der Welt den Tribut der Ehre und Bewunderung, ebend. 3) Seiner Beschaffenheit nach nothwendig machen, für erfordern. Darnach es die Noth fordert, 1 Macc. 8, 25, 27. Die Zeit fordert es. Der Menschenfreund, den die Wohlfahrt der Menschen fordert. Umsonst hatten wir diesen Tag hergeseufzt; aber er forderte andere Thränen, als wir gehoffet hatten, Dusch. Deine Pflicht fordert es von dir.
Daher die Forderung, S. hernach besonders.[243]
Anm. Dieses Zeitwort lautet bey dem Notker forderen, und bey dem Willeram vorderen, der es auch für suchen gebraucht. Die weichern nördlichen Mundarten stoßen das erste r, wie in andern Fällen hinaus; Dän. fodre, Schwed. fodra, im mittlern Lat. foderare, welches auch wohl einige Hochdeutsche Schriftsteller nachgeahmet haben, deren Sprachwerkzeuge durch die weichere Niedersächsische Aussprache verwöhnet worden. Wachter, Gottsched, Aichinger, Stosch und andere erklären fodern sogar für richtiger, und Ihre pflichtet ihnen schweigend bey, indem er dieses Zeitwort von dem Lat. petere und poscere abstammen lässet. Allein da ganz Oberdeutschland dieses Wort zu allen Zeiten fordern geschrieben hat, so ist es glaublicher, daß es von vor und dessen Comparat. vorder, im Oberd. forder, abstammet, weil es doch eigentlich jemanden vor sich bescheiden heißet; uns alsdann ist es mit dem folgenden sehr genau verwandt, dessen Abstammung von vor und vörder noch niemand geläugnet hat, ungeachtet es in den trägen und schlüpfrigen Mundarten gleichfalls födern lautet. Überdieß haben wir dieses Wort von den Oberdeutschen bekommen; denn den Niedersachsen ist es unbekannt. Fordren, für fordern, ist eine harte Versetzung des r, welche sich nur in der ersten Person des Präsentis ich fordre, für fordere, entschuldigen lässet.
Adelung-1793: Fördern